Rendezvous mit Mr Darcy
zurückbegleiten.«
Er war heiß und dann wieder kalt. Er konnte anständig, aber auch ein Vollidiot sein. Aber er war nicht der Richtige.
»Haben Sie das wirklich ernst gemeint, als Sie zu mir sagten, Sie hätten sich in mich verliebt?«, fragte Chloe.
»Ich denke schon. Aber das Ganze hier ist sehr schwierig für mich …«
Das war alles, was Chloe hören wollte. George musste Sebastians Biografie geschrieben haben, denn der dort beschriebene Sebastian Wrightman war nicht der Sebastian Wrightman, der vor ihr stand. Sie hatte das Ganze für bare Münze genommen, doch genau darin lag ihr Trugschluss. Sie hatte sich von der Vorstellung eines Mr Darcy leiten lassen, statt genau hinzuschauen, wen sie eigentlich vor sich hatte.
Er half ihr auf sein Pferd und führte es schweigend nach Bridesbridge Place. Sie blickte hinauf zum Mond, während das Pferd gemächlich dahinschritt. Sie war der Gefahr knapp entkommen und bedankte sich beim Vollmond, dass er die Geburt von Mrs Crescent herbeigeführt hatte.
Wenn in England Vollmond war, war dann zu Hause auch Vollmond?, fragte sich Chloe. Abigail liebte Vollmond. Chloe war einmal Abigails Mond gewesen, war um sie gekreist, Tag und Nacht, Jahr für Jahr, ohne Unterbrechung. Und jetzt? Jetzt glaubte sie nicht mehr daran, diese ewige elliptische Bahn jemals wieder glücklich einschlagen zu können, ohne dabei Kälte zu verspüren und sich alleine vorzukommen. Trotzdem zog ebendieser Mond sie mit einer Macht nach Hause, die stärker war als jegliche Schwerkraft.
Auf ihrem Weg nach Bridesbridge kamen sie an der Schlossruine vorbei. Im Licht des Mondes konnte Chloe die Einschläge der Kanonenkugeln in das Schloss erblicken, ja, sie konnte die Löcher in den Mauern ganz genau erkennen. Wieso waren sie ihr nicht schon früher aufgefallen?
Dann riss sie sich wieder zusammen. Sie musste das Geld trotzdem gewinnen. Ansonsten hätte es sich nicht gelohnt, Abigail zu verlassen.
Was aber würde nun geschehen, nachdem Sebastian mit heruntergelassener Hose bei ihr erwischt worden war?
Am Fuß der Treppe von Bridesbridge Place knöpfte sie ihren Mantel bis zum Hals zu. Wachs tropfte von einem Kerzenleuchter auf den Tisch mit den greifförmigen Füßen, der in der Nähe des Treppengeländers stand. Plötzlich ertönte ein Schrei von Mrs Crescent und hallte durch die Eingangshalle. Angst durchzuckte Chloe, und Erinnerungen stiegen in ihr hoch. Sie würde diesen pfefferminzgrünen Kreißsaal, den Durst, den Schmerz, die Freude über Abigails Geburt nie vergessen. Langsam schlich sie die Treppe hinauf, den tropfenden Kerzenleuchter in der einen, den herunterhängenden Pompadour und den Fächer in der anderen Hand.
Wie konnte Mrs Crescent nur hier entbinden? Ohne Strom? Ohne Telefon? Ohne entspannende Musik? Und – warum?
Es war fast so verrückt wie der Glaube daran, in einer Fernsehsendung die eine wahre Liebe zu finden.
Je mehr sich Chloe dem Zimmer von Mrs Crescent näherte, umso lauter wurde das Stöhnen. Chloe musste sich umziehen. Was trug eine Dame überhaupt in einem Entbindungszimmer? Sie schlich auf Zehenspitzen an der halb offenen Tür von Mrs Crescent vorbei.
»Miss Parker!« Mrs Crescent entging nichts, selbst mitten in einer Geburt nicht. »Kommen Sie sofort herein! Auuu! «
Henrys leise Stimme verfehlte ihre beruhigende und tröstende Wirkung weder auf Mrs Crescent … noch auf Chloe. Sie schob die Tür ein paar Zentimeter auf. Mrs Crescent stöhnte vor Schmerzen. Noch wagte es Chloe nicht, einen Blick auf das Bett mit der Gebärenden zu werfen, und konzentrierte sich stattdessen auf die Schatten der Personen im Raum, die sich überlebensgroß auf der blauen Wand abzeichneten. Henrys Schatten, der von Mrs Crescent und derjenige der Kamerafrau flackerten im Schein des Kerzenlichts wie ein Pantomimespiel. Würde diese unwirkliche Nacht nie vorübergehen? Und musste auch diese Szene wirklich gefilmt werden?
Mrs Crescents Schatten schwankte vor und zurück, die Knie angezogen, das Haar zottelig auf ihren Schultern ausgebreitet. Chloe presste die Augen zu und vergrub ihre Nase im Seidenärmel ihres Mantels. Sie dachte unwillkürlich an ihr Riechfläschchen und setzte den Kerzenleuchter auf dem Frisiertisch ab.
Henrys Schatten bewegte sich und massierte den Rücken von Mrs Crescent. »Pressen Sie! Nur noch ein wenig. Wir haben es fast geschafft. Eins, zwei, drei. Gut so. Nicht mehr pressen. Atmen Sie! Sehr gut.«
Sein Schatten wandte sich in Richtung Chloe und beugte
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