Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
glitten dann langsam über ihren Rücken. Er bog ihren Kopf nach hinten und küsste sie hart und fordernd. Seine Zunge füllte ihren Mund, und sie drängte sich gierig an ihn, krallte sich in seiner langen, dunklen Mähne fest, als wollte sie nie wieder loslassen. Er hatte nun einmal diese Wirkung auf sie, was er wusste und schamlos ausnutzte. Doch ihr gefiel es. Immer wieder neu. Erst nach einer geraumen Weile drehte sie den Kopf zur Seite.
„Was soll das heißen, das spielt keine Rolle mehr?”
„Sag bloß, du weißt nicht, dass noch ein Kind ermordet wurde?” Voller Hingabe knetete er ihre Brustwarzen. Sie konnte einen wollüstigen Schauer nicht unterdrücken.
„Hör auf. Sag mir lieber, wann und wie es passierte. Und wer ist es?”
Seine Hand fuhr nach unten, öffnete den Reißverschluss ihrer Hose, tastete sich weiter vor, verhielt in der warmen feuchten Höhle.
„Ein Junge. Erdrosselt im Westpark.” Sein Atem kam schneller.
„So wie Sandra.” Mit einem Schlag war sie wieder nüchtern. Sie versuchte, seine Hand beiseite zu schieben. Vergeblich. „Lass das! Wir können doch jetzt nicht …”
„Natürlich können wir. Stell dich nicht so an!” Gewaltsam zog er sie auf die Polster. „Das Leben geht weiter.” Er riss ihr Hose und Slip herunter und presste sie mit aller Macht an sich. Nach und nach ergab sie sich in seinen Rhythmus. Als seine Begierde gestillt war, war auch ihr Widerstand erloschen, und etwas zärtlicher kümmerte er sich nun um ihre Bedürfnisse.
7
Helga legte das letzte Übungsblatt aus der Hand und seufzte erleichtert auf. Sie hatte mehr gemalt als geschrieben und hoffte, dass ihre Kleinen den Text morgen ebenso schön abschreiben würden. Erschrocken hörte sie die alte Standuhr in der Nachbarwohnung siebenmal schlagen. In dreißig Minuten begann das Aikido-Training, zu dem sie auf keinen Fall zu spät kommen durfte. Kurz vor ihrer Prüfung zum ersten Dan konnte sie es sich nicht leisten, den Trainer zu verärgern, der großen Wert auf Disziplin und Pünktlichkeit legte. Rasch sprang sie auf, warf den Judoanzug in die Tasche und griff nach dem Beutel mit Stock und Schwert. Aber wo steckte das Holzmesser? Sie fluchte. Normalerweise lag es in der Tasche, aber vor zwei Tagen hatte sie diese leer geräumt, weil sie Platz für ihre Badesachen gebraucht hatte. Helga hatte sich einen erholsamen Nachmittag in der Sauna gegönnt. Wo hatte sie das elende Holzstück bloß hingeworfen? Egal, nun war keine Zeit mehr zum Suchen, und sie konnte nur hoffen, dass ihre Partnerin eines mitbringen würde.
Die Innenstadt war wie immer eine Baustelle. Der Verkehr wurde teilweise auf eine Spur gelenkt, weil Sandhaufen und Löcher die Fahrbahn unpassierbar machten. Als sie endlich auf den Parkplatz einbog, zeigte ihre Uhr, dass sie gerade noch fünf Minuten zum Umziehen hatte. Das würde knapp werden. Und sie hasste es, abgehetzt auf die Matte zu kommen.
Aikido war der einzige Sport, für den sie sich begeisterte. Sie hatte schon vieles ausprobiert und fand die meisten Sportarten langweilig oder albern. Aikido beinhaltete jedoch etwas ganz Besonderes. Da trainierte man nicht nur alle Muskeln, sondern auch Reaktionsschnelligkeit und blitzschnelles Einschätzen einer Situation. Ein Geist, der gleichzeitig entspannt und konzentriert sein konnte, war in jeder Situation eine große Hilfe. Sie liebte die weichen, fließenden Bewegungen, das wilde Herumwirbeln der Körper. Je kraftvoller der Angriff erfolgte, umso mehr Spaß machte die Abwehr. Die aggressiven Energien des Gegners umzulenken und zu benützen, um diesen zu werfen oder zu hebeln, gefiel ihr immer wieder von neuem. Dabei spielte es keine Rolle, welchen Part sie übernahm, Angriff oder Abwehr. Beides gehörte zusammen wie zwei Seiten einer Medaille. Auch deshalb gefiel ihr Aikido, weil die Philosophie, anders als bei den meisten Budo-Sportarten, noch eng mit der Praxis verbunden ist. Hier bedeutet Gewaltlosigkeit Stärke und letztlich Überlegenheit, erfordert vom Ausführenden jedoch größte Konzentration. Ein Aikidoka muss jeden Angriff bereits im Ansatz erkennen, ihn aufnehmen und ins Leere weiterleiten. Helga bezweifelte, dass sie heute die nötige Aufmerksamkeit aufbringen würde.
Als sie den Übungsraum betrat, setzten sich gerade alle Teilnehmer in den Fersensitz zum Angrüßen. Der Trainer blickte mit ärgerlichem Stirnrunzeln zu ihr hinüber und verlängerte die normalerweise kurze Phase der Meditation vor Beginn des
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