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Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Titel: Renner & Kersting 01 - Mordsliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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Trainings. Anscheinend hatte er ihre Hektik gespürt. Sie versuchte, ihren Geist zu leeren und sich zu entspannen, so wie sie es immer tat. Doch schon bei den Aufwärmübungen merkte sie, dass sie zwar das Gefühl der Hektik abgelegt hatte, ihre Gedanken aber immer noch um das Gespräch mit Ali Merklin kreisten. Als dann das eigentliche Training begann und der Meister Befreiungstechniken aus einem Würgegriff demonstrierte, sah sie plötzlich Sandra und Benjamin vor sich, wie sie von hinten gepackt und erdrosselt wurden. Sie musste diese Vorstellung schnellstens loswerden, sonst konnte sie das Training für heute vergessen. Aikido heißt nicht nur Beherrschung des Körpers, sondern auch des Geistes. Mit den falschen Bildern im Kopf nützte ihr die Kenntnis der Techniken gar nichts. Da war es auch schon passiert. Wenn ihre Partnerin nicht aufgepasst und den Stoß kurz vor ihrem Körper abgebrochen hätte, läge sie jetzt verletzt am Boden. Bei einem Schüler, der vor der Prüfung zum schwarzen Gürtel steht, wird selbstverständlich vorausgesetzt, dass er die bekannten Angriffe abwehren kann.
    „Was ist denn mit dir los?”, flüsterte Ilse. „Du bist ja völlig von der Rolle!” Helga schüttelte den Kopf, „nachher”, und nahm die Grundstellung ein. Auf ihr Kopfnicken hin wiederholte Ilse den Fauststoß zum Magen, und diesmal schaffte Helga es, mit einem Gleitschritt elegant zur Seite auszuweichen und Ilse mit einem Hebel zu Boden zu zwingen.
    Eine Stunde später, als sie keuchend unter der Dusche standen, erzählte Helga von ihrem Gespräch mit der Merk
lin. Mit ironisch verzogenen Mundwinkeln beichtete sie, wie sie sich hatte überreden lassen, demnächst Detektiv zu spielen.
    „Und du glaubst wirklich, es könnte etwas dabei herauskommen?”
    „Sie glaubt es.” Helga drehte die Dusche ab. „Ich bin nicht überzeugt.”
    „Hmm, so schlecht ist der Einfall gar nicht, oh nein.” In Gedanken versunken wusch sich Ilse zum zweiten Mal die Haare. „Gar nicht schlecht.”
    „Was meinst du?”
    „Ich habe da eine Idee. Lass uns nachher beim Bier da-
rüber reden. Dann brauche ich es nicht zweimal erzählen.”
    Was sollte das denn heißen? Besaß Ilse etwa auch kriminalistische Ambitionen?
     
    Wie üblich traf sich der harte Kern der Aikido-Gruppe nach dem Training in der kleinen Kneipe, die zu den Sportanlagen gehörte. Manchmal stießen auch Neulinge dazu, doch die meisten blieben nicht lange. Viele kamen begeistert aber mit völlig falschen Vorstellungen auf die Matte, und wenn sie dann merkten, dass die Techniken längst nicht so einfach waren, wie es beim Zuschauen erschien, gaben sie schnell wieder auf. Die scheinbare Leichtigkeit, mit der ein Gegner zu Boden geschickt wird, kann nur durch regelmäßiges intensives Training erreicht werden. Wer raufen wollte, gewinnen um jeden Preis, wer Spaß am Prügeln und Schlagen hatte, spürte sehr schnell, dass er hier fehl am Platze war und wechselte Sportart und Dojo.
    Da der Wirt die Vorlieben der Einzelnen kannte, brauchten sie auf ihre Getränke nicht lange zu warten. Kaum war der erste Durst gestillt, zog Ilse die Aufmerksamkeit aller auf sich.
    „Passt mal auf! Ihr habt doch sicher von den Morden im Westpark gehört?” Kurz referierte sie, was Lokalfunk und Zeitungen berichtet hatten, und erzählte dann von Ali Merklins Idee, zur Aufklärung beizutragen. „Ich finde, wir sollten uns ebenfalls beteiligen!”
    „Du spinnst wohl!”
    „So’n Quatsch!”
    „Das ist Sache der Polizei. Da dürfen wir uns nicht einmischen.”
    „Das ist doch völlig verrückt.”
    Ilse lehnte sich im Stuhl zurück und ließ ihre Blicke über die erhitzten Gesichter wandern, eine Braue leicht nach oben gezogen. Mit ihrer stoischen Ruhe, den etwas schrägen, grünglitzernden Augen und den langen roten Haaren, die schon einige graue Strähnen enthielten, hatte sie etwas von einer Hexe an sich, was sie durch ihre Kleidung noch betonte: lange weite Röcke und altmodische Rüschenblusen. Jetzt wartete sie, bis jeder seine mehr oder weniger ablehnende Meinung geäußert hatte. Als niemand mehr etwas zu sagen wusste, fuhr sie ruhig fort: „Lasst mich ausreden. Die meisten von uns sind abends sowieso noch draußen, Steffi und Wolfgang führen ihre Hunde aus, Klaus übt mit Stock und Schwert, und fast alle joggen. Wenn wir das im Westpark täten und nebenbei ein wenig die Augen offen hielten, könnten wir vielleicht etwas entdecken.”
    „Was denn?”
    „Weiß ich nicht!

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