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Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Titel: Rescue me - Ganz nah am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Koch
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Dann noch einer. Eine Liedzeile fiel mir ein. „Darkness is the only light, suicide the way“, flüsterte ich. Bei ‚Suicide‘ tat ich es, ritzte mir ins Fleisch.
    „Pain never felt, enslaved inside this massive grave”, summte ich leise, während die Klinge tieferglitt, der Schnitt sich vergrößerte.
    „Live, evil fate. Only … slaves … to death … can survive this place …“
    Blut trat aus. Im fahlen Licht des Mondes sah es beinah schwarz aus. Schwarzes Blut. Ich lächelte. Für den Prinzen der Finsternis ja wohl mehr als angemessen. Fasziniert sah ich zu, wie es langsam Richtung Handgelenk lief. Ich betrachtete die Wunde, der Schnitt saß unterhalb der Ellenbeuge und endete nur knapp vor der Vene, die quer unter der Haut verlief. Nichts, was mir gefährlich werden konnte. Jedenfalls nicht gleich.
    Ich sah hinauf. Durch das Laub der Platane konnte ich die ersten Sterne sehen. Ich mochte die Sterne. Denen war es egal, was man tat. Wie man aussah. Sie hingen da oben, jede Nacht und scherten sich einen Dreck um das, was hier unten passierte.
    Ich legte die Hand mit dem Messer auf mein Bein, die Linke ließ ich einfach so hängen. Gleichmäßig laufendes Blut kitzelte auf der Haut, es rann mir jetzt zwischen den Fingern entlang, bis ein dicker Tropfen hinab ins Gras patschte. Und noch einer.
    Angenommen, ich würde hier sitzen bleiben. Und tatsächlich verbluten. Ob Ryan wohl zu meiner Beerdigung käme? Für einen Moment stellte ich mir vor, wie er sich über meinen Sarg werfen würde. Heulend und schluchzend. Mir seine unendliche Liebe gestehen und vor Kummer und Schmerz über meinen Tod wahnsinnig wurde.
    Ich lachte unglücklich. So ein Blödsinn! Aber träumen durfte man ja. Nicht von Kummer und Wahnsinn. Aber von unendlicher Liebe.
     
    Ein helles Licht tauchte aus der Dunkelheit. Tanzte nach links und nach rechts, zerschnitt die Schatten, kam langsam näher. Alarmiert kniff ich die Augen zusammen. Wenn es der Friedhofswärter war, saß ich in der Scheiße. Ich durfte gar nicht hier sein, hatte mir damals einen Platzverweis eingefangen. Für einen Moment durchzuckte mich der Impuls, wegzulaufen. Doch dann blieb ich sitzen. War jetzt auch egal. Alles war egal.
    „Tyler? Wo bist du?“
    Das war nicht der Nachtwächter, der da rief. Der war so um die siebzig und hörte sich auch so an, mit seiner Raucherlunge. Aber wer war es dann? Wer würde mich suchen? Das Licht kam noch näher, strich über den Engel, der nur wenige Meter von mir entfernt stand. Da fiel der Lichtkegel auch schon über mich, mein weißes Hemd.
    „Tyler. Ist alles in Ordnung?“ Die Gestalt hielt die Lampe zur Seite, damit sie mich nicht blendete. Ich erkannte ein rotes Shirt, helle Bermudas. Braddy Boy.
    Vor meinen Füßen blieb er stehen, dann hockte er sich neben mich. In seiner Hand hielt er eine kleine schwarze Tasche, ich erkannte ein rotes Kreuz. Ein ‚Erste Hilfe Kit‘.
    Brad musterte mich. Nahm mir das Messer aus der Hand, klappte es zusammen und steckte es in die Hosentasche.
    Ganz ohne missbilligende Vorwürfe. Dann griff er nach dem linken Arm und betrachtete die Wunde. „Ist wohl ein bisschen tief, oder?“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Wie hast du mich gefunden?“
    Diesmal hob Brad die Achsel. „Ich war in der Army“, sagte er in einem Ton, der wohl alles erklären sollte. „Bei den Sanis“, präzisierte er, während er das Kit öffnete, sich ein paar Einweghandschuhe überstreifte und den Schnitt untersuchte. „Ich kenne mich also aus. Und ich glaube, diese Wunde müsste sich ein Arzt ansehen.“
    Ich sah auf meinen Schoß und schüttelte den Kopf. „Kein Arzt. Kleb einfach ein Pflaster drauf, und fertig.“
    Ein Arzt würde bloß Fragen stellen. Fragen, die ich nicht beantworten wollte.
    Brad runzelte die Stirn. „Das gibt aber eine Narbe.“
    Wieder zuckte ich die Schultern. „Na und?“ Als wenn es auf die noch ankäme.
    Brad sagte nichts mehr. Fing keine überflüssige Diskussion darüber an, riss nur eines der Päckchen auf. Ich spürte Feuchtigkeit, es roch nach Desinfektionsmittel, dann brannte es fürchterlich. Ein Stöhnen entschlüpfte mir, fest biss ich die Zähne zusammen. Brad riss ein neues Päckchen auseinander und legte mir einen festen Verband an.
    „So. Fertig.“ Er sah mich an. „Wenn ich dir das Messer wiedergebe, wirst du es dann noch einmal benutzen?“
    „Nein“, antwortete ich und stand auf. Mir war etwas schwindelig, ich schwankte leicht. Brad legte sich meinen Arm über

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