Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele
hatte ich meine ziemlich handfeste Umgebung beinahe vergessen. In der Unterwelt existierte das Auto nicht; vielmehr schwebte ich in einem unsichtbaren Stuhl alleine die Straße entlang.
Abgefahren .
Als Nash den Wagen in die Richtung lenkte, die ich ihm gezeigt hatte, wurde mir von der Bewegung ganz schwindlig, weil ich das Auto nur auf einer der beiden Ebenen sehen und fühlen konnte. In einer der Wirklichkeiten.
Doppelt abgefahren. Anscheinend wurde mir in der Unterwelt vom Autofahren übel.
Als wir uns dem Ort näherten, traten die Umrisse deutlicher hervor. Es handelte sich um zwei größere Gestalten und eine kleinere, ein Mädchen, höchstens im Teenageralter.
Verdammte Scheiße! Regan hatte die Unterwelt bereits betreten.
Mein Wehklagen wurde lauter, und ich musste überrascht feststellen, dass das Echo meiner Stimme wie ein Querschläger durch das Auto schoss, anstatt zu verklingen. Nash bog auf meinen Fingerzeig hin in eine Auffahrt, und ich musste mir die Hand vor den Mund schlagen, um nicht ins Auto zu kotzen, als er abrupt anhielt. Wir standen in einer steilen Auffahrt, nur wenige Meter von den dunklen Gestalten entfernt.
Ich hörte, wie die Fahrertür geöffnet wurde, und spürte einen kalten Luftzug. Sekunden später ging die Beifahrertür auf, und Nash half mir aus dem Auto. Meine Haut wurde sofort klamm und kalt in der eiskalten, nebligen Luft.
„Du kannst aufhören …“, flüsterte Nash ganz dicht anmeinem Ohr. Seine Stimme legte sich wie eine warme Decke auf meine Haut, und ich entspannte mich sofort, obwohl die größte der drei Gestalten gerade im grauen Dunst verschwand. „Wir sind jetzt da, lass es einfach los.“
Als ich den Schrei verebben ließ, verschwand auch der graue Schleier. Zurück blieben ein Kratzen im Hals und Bilder, die mich noch lange verfolgen würden. Mein Blick war wieder völlig klar. Wir standen vor einem großen Haus mit einer hellroten Eingangstür in der grauen Steinfassade, das von Scheinwerfern angestrahlt wurde.
Auf der Straße vor dem Haus stand eine schlichte schwarze Limousine – wenn eine Limousine überhaupt schlicht sein kann. Der Motor lief, und der Chauffeur saß mit geschlossenen Augen hinterm Steuer. In meiner Wohngegend wäre das ein ziemlich ungewöhnlicher Anblick gewesen, in dieser Gegend gehörte es wahrscheinlich zum Alltag.
Nash sprintete auf das Haus zu, und ich rannte ihm nach, bevor ich im Hier und Jetzt so richtig angekommen war. Prompt blieb ich mit dem Fuß an der untersten Stufe hängen und fiel fast auf die Nase. Nash half mir auf und legte dann die Hand auf den Türknauf.
Die Tür war offen. Dekker und der Reaper hatten wohl nicht mit Gesellschaft gerechnet. Addison zum Glück schon. Wir hasteten durch das Foyer direkt ins große, exklusiv eingerichtete Wohnzimmer und sahen uns John Dekker gegenüber, der mit einer Hand Addison Page am Oberarm festhielt und mit der anderen Hand eine Aktenmappe, die mit einem Gummiband verschlossen war.
War das Regans Vertrag? Ich wurde ganz kribbelig vor Aufregung: Der Name des Hellions war zum Greifen nahe!
In der Mitte des Zimmers tauchten plötzlich die Gestaltenzweier Frauen auf, die sich an den Händen hielten.
Bei der größeren handelte es sich wahrscheinlich um die abtrünnige Reaperin. Die kleinere war Regan Page. Sie sah genauso aus wie in den Werbespots für die neue TV-Serie. Bis auf die Augen: Sie waren normalerweise kristallblau, nur ein paar Schattierungen dunkler als die ihrer Schwester.
Jetzt waren nur noch weiße, von winzigen roten Äderchen durchzogene Kugeln übrig, als hätte das Weiße Pupille und Iris absorbiert. Verzweifelt drückte ich Nashs Hand. Wir waren zu spät gekommen! Regan hatte ihre Seele verkauft, und der kurze, unscharfe Blick, den ich auf den Hellion ergattern konnte, genügte nicht, um ihn zu identifizieren. Geschweige denn wiederzufinden.
Ich hatte schon wieder versagt. Ein weiteres Mädchen hatte seine Seele verloren.
11. KAPITEL
„Regan!“ Addison stöhnte auf, als sie die ausdruckslosen Augen ihrer Schwester sah, und schüttelte fassungslos den Kopf. Ihre falschen blauen Augen füllten sich mit Tränen.
„Du hast dich richtig entschieden“, sagte Dekker und setzte sein berühmtes, millionenschweres Lächeln auf. Dieses Vergnügungspark-Eröffnungs-Lächeln, bei dem er die überkronten Zähne bleckte. Sein Großvater wäre sicher stolz auf ihn. „Jetzt wirst du für den Rest deines Lebens reich und berühmt sein.“
In Addys Augen,
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