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Rette mich

Rette mich

Titel: Rette mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becca Fitzpatrick
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und her. Die Intensität des Summens nahm zu, bis ich vor Hitze zitterte. Ein merkwürdiges Fieber. Der Friedhof, dachte ich . Es hatte alles auf dem Friedhof angefangen.
    Die schwarze Nacht, der schwarze Nebel. Schwarzes Gras, schwarze Grabsteine. Der glitzernde schwarze Fluss. Und jetzt ein Paar schwarzer Augen, die mich beobachteten. Ich konnte die Blitze von Schwarz nicht ignorieren, und ich konnte sie nicht wegschlafen. Ich konnte mich nicht ausruhen, bevor ich ihnen nicht nachgegangen war.
    Ich schwang mich aus dem Bett. Ich zog mir ein Strickhemd über den Kopf, zog den Reißverschluss meiner Jeans hoch und warf mir eine Jacke über die Schultern. An meiner Zimmertür blieb ich stehen. Der Flur draußen war ruhig, abgesehen von dem hallenden Ticken der Standuhr, das vom Erdgeschoss heraufklang. Die Zimmertür meiner Mutter war nicht ganz geschlossen, aber im Spalt war kein Lichtschein zu sehen. Wenn ich genau genug hinhörte, konnte ich gerade noch ihr leises Schnarchen wahrnehmen.
    Ich ging lautlos die Treppe hinunter, nahm eine Taschenlampe und den Haustürschlüssel und ging zur Hintertür hinaus, aus Angst, dass mich die knarrenden Dielen der Veranda an der Vordertür verraten könnten. Deswegen und weil ein uniformierter Beamter an der Auffahrt stand. Er war dort stationiert, um Reporter und Kameras fernzuhalten, aber ich hatte das Gefühl, dass er ganz schnell Detective Basso anrufen würde, sähe er mich um diese Uhrzeit vorn hinausgehen.
    Ein Stimmchen im Hintergrund meines Bewusstseins wandte ein, dass es wahrscheinlich nicht gerade sicher war hinauszugehen, aber ich war wie von einer merkwürdigen Trance getrieben. Schwarze Nacht, schwarzer Nebel, schwarzes Gras, schwarze Grabsteine, glitzernder schwarzer Fluss. Ein Paar schwarzer Augen, die mich ansahen.
    Ich musste diese Augen finden. Sie hatten die Antworten.
    Vierzig Minuten später war ich bis zu den bogenförmigen Toren gewandert, die in den Friedhof von Coldwater hineinführten. Im Wind trudelten Blätter von ihren Zweigen wie Windrädchen. Ich fand meines Vaters Grab ohne Schwierigkeiten. Während ich wegen der feuchten Kälte schauderte, versuchte ich, meinen Weg zurück zu dem flachen Grabstein zu finden, wo alles angefangen hatte.
    Ich bückte mich und ließ meine Finger über den alten Marmor gleiten. Ich schloss die Augen und blendete die Nachtgeräusche aus, konzentrierte mich darauf, die schwarzen Augen zu finden. Ich schickte meine Frage dort hinaus, hoffte, dass sie mich hören würden. Wie war ich dazu gekommen, auf einem Friedhof zu schlafen, nachdem ich elf Wochen lang in Gefangenschaft gewesen war?
    Ich ließ meinen Blick langsam über den Friedhof wandern. Die modrigen Gerüche des nahenden Herbstes, das reiche Aroma von gemähtem Gras, das rhythmische Zirpen von Insekten, die ihre Flügel aneinanderrieben – nichts davon gab mir die Antworten, die ich so verzweifelt wollte. Ich schluckte, versuchte mit aller Kraft, das Gefühl zu unterdrücken, ich hätte eine Niederlage erlitten. Die Farbe Schwarz, die mich tagelang gereizt hatte, hatte mich im Stich gelassen. Ich vergrub meine Hände in den Taschen meiner Jeans und drehte mich um, um zu gehen.
    Am Rand meines Gesichtsfeldes bemerkte ich einen Flecken im Gras. Ich hob eine schwarze Feder auf. Sie war locker so lang wie mein Arm von der Schulter bis zum Handgelenk. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, als ich versuchte, mir vorzustellen, was für ein Vogel sie verloren haben konnte. Viel zu groß für eine Krähe. Viel zu groß für jeden Vogel, wenn man mich fragte. Ich ließ meine Finger über die Lamellen der Feder gleiten, und jede seidige Faser glitt an ihren Platz zurück.
    Eine Erinnerung rührte sich in mir. Engelchen , war mir, als hörte ich eine weiche Stimme flüstern. Du gehörst mir.
    Ich errötete, das schlimmste von allen lächerlichen und verwirrenden Dingen. Ich sah mich um, nur um sicher zu sein, dass die Stimme nicht real war.
    Ich habe dich nicht vergessen.
    Ohne mich zu bewegen, wartete ich darauf, die Stimme noch einmal zu hören, aber sie wurde vom Wind fortgetragen. Welche Funken von Erinnerung auch immer sie hinterlassen hatte, sie tauchten außerhalb meiner Reichweite, bevor ich sie greifen konnte. Ich war hin- und hergerissen, wollte die Feder wegwerfen, wollte sie verzweifelt vergraben, wo niemand sie finden konnte. Ich hatte den starken Eindruck, dass ich über etwas Geheimes gestolpert war, etwas Intimes, etwas, das großen Schaden anrichten

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