Rettungskreuzer Ikarus Band 016 - Ansarek
all diese Fragen geben, und auch Shilla hatte keine Vorstellung
von oder auch einen Namen für die geheimnisvollen Unbekannten, die von
den Völkern des Nexoversums gefürchtet wurden.
Doch das war noch nicht alles. Shilla hatte weitere Geheimnisse enthüllt,
die das Bild, das sich Jason von seiner Begleiterin gemacht hatte, völlig
auf den Kopf stellten. Natürlich war es ein Risiko gewesen, eine Unbekannte
aufzunehmen, die weder Fragen stellte, noch Fragen beantwortete – und ihr
zu vertrauen. Er war sich jedoch sicher gewesen, dass ihn seine Menschenkenntnis
nicht trog … Bloß, wie war es um seine Vizianerkenntnis bestellt?
Vordergründig hatte er Recht behalten: Shilla stand stets Schulter an Schulter
mit ihm und würde immer seinen Rücken decken. Doch der Einfluss der
mysteriösen Wesen an Bord der Hairaumer hatte etwas in ihr geweckt, das
bislang tief verborgen in ihr geschlummert hatte.
Es war dieser unheilvolle Einfluss, der Shillas Emotionen und damit ihr Handeln
manipulierte – und das bereitete Jason Kopfzerbrechen. Wie war das möglich?
Wie stellten diese Wesen das an? Wie konnten sie über eine größere
räumliche Distanz Einfluss auf die Vizianerin nehmen? Taten sie es willentlich,
da sie Shillas Präsenz ebenfalls fühlten? Oder geschah es zufällig?
Und was passierte dabei mit Shilla?
Von der unterkühlten, abweisenden Frau, die auf Grund einer ihrer Spezies
eigenen Xenophobie körperliche Kontakte scheute, hatte sie sich –
zeitweilig – in das komplette Gegenteil verwandelt. Die Erinnerung an diese
Momente brachte Jasons Blut augenblicklich in Wallung. Er wusste nur nicht,
ob er dankbar sein sollte, dass stets eine Störung ihr Zusammensein verhindert
hatte, wenn es wirklich … interessant geworden war, schließlich war
das nicht die Shilla, die er kannte und die anschließend sicher verärgert
gewesen wäre, dass er ihre vorübergehende Schwäche ausgenutzt
hatte, oder ob er die Umstände verfluchen sollte, derentwegen er sein lang
ersehntes Ziel immer noch nicht erreicht hatte.
Wurde der unheilvolle Einfluss intensiver, dann schottete sich Shilla von ihrer
Umwelt ab, schien in sich hineinzulauschen, vielleicht sogar mit unhörbaren
Stimmen zu kommunizieren. Tatsache war, dass sie selbst nicht wusste, was sie
tat, da sie keine klare Erinnerung an jene Augenblicke besaß, während
derer sie sich in der psychischen Gewalt der Fremden befunden hatte. Widerwillig
hatte sie zugegeben, dass sie sich einerseits fasziniert, andererseits jedoch
abgestoßen fühlte von dieser merkwürdigen Macht, die nach ihr
zu greifen, sie zu verführen versuchte, einem unterdrückten Drang
nachzugeben ... Seither kämpfte sie, kämpfte darum zu bleiben, wer
sie war und nicht verwandelt zu werden in ein skrupelloses Wesen, das über
erschreckende Fähigkeiten verfügte und gewillt war, diese auch zu
benutzen.
Und das war die größte aller Überraschungen: Die Telepathin
wandte ihre Fähigkeiten üblicherweise nur an, um sich mitzuteilen.
Musste sie gelegentlich die Gedanken einiger Gegenspieler erforschen oder gar
beeinflussen, so tat sie das höchst ungern. Als die Ereignisse eskalierten,
hatte sie von ihrer Gabe immer häufiger Gebrauch gemacht und irgendwann
aufgehört, darüber zu klagen. Seit sich Jason und Shilla im Nexoversum
aufhielten, benutzte sie ihre Fähigkeiten genauso natürlich und selbstverständlich,
wie sie atmete. Immer besser stellte sie sich auf die ihr unbekannten Gedankenmuster
ein und konnte sie mittlerweile fast problemlos entschlüsseln. Überdies
vermochte sie, mit ihrer Kraft zu töten … und hatte es bereits getan.
Jason hasse es, über diese Dinge nachzudenken, aber er war Realist. Konnte
der Einfluss der Unbekannten Shilla dazu treiben, ihre telepathische Gabe zu
missbrauchen und gezielt eine Person, eine Gruppe, ein ganzes Volk auszulöschen?
– Sie war zu einer lebenden Zeitbombe geworden …
Zum Glück wusste niemand davon – oder besser gesagt: Niemand an Bord
der Sentok würde zu einem solchen Schluss gelangen, ausgenommen vielleicht
Taisho, der mit ihnen auf Reputus gewesen und Zeuge geworden war, wie Shilla
allein durch die Macht ihrer Gedanken ein in der Kanalisation hausendes Monstrum
und den Verräter Crii-Logan, der sie alle dem Nexus hatte ausliefern wollen,
getötet hatte. Ferner hatte er ihr Geständnis gehört, dass sie
schon früher der üblen
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