Rettungskreuzer Ikarus Sonderband 001 - Legale Fracht
es merken...«
»Er wird etwas länger schlafen als die anderen, sein Jasiral hatte es ebenfalls in sich. Aber nicht sehr viel länger. Und darum beeilen wir uns jetzt auch.«
So rasch wie möglich folgte Chrylens der glitzernden Frau durch Gänge, die sie noch nie betreten hatte. Es gab, wie es schien, eine zweite Welt neben der strahlenden und öffentlichen im XXL Tower. Ein Labyrinth aus Wartungsgängen und Versorgungsschächten durchzog das Gebäude wie ein Netzwerk, berührte fast jeden Raum und jeden Hauptkorridor. Hier lagen keine dicken Teppiche und das Licht war nicht angenehm gedämpft, die Wände waren schmucklos. Bis auf das Geräusch ihrer Schritte war es still. Sie benutzten nicht die Wartungslifte, sondern die Notfalltreppen – zu Chrylens Erstaunen nicht nach unten, sondern nach oben. Zwar hätte sie gerne gefragt, was ihr Ziel war, aber innerhalb kurzer Zeit war sie zu sehr außer Atem, um zu sprechen – das Leben als Gefangene im goldenen Käfig hatte sie faul und schwach gemacht. So wunderte sie sich auch im Stillen, warum ihnen niemand begegnete, keine Reinigungskraft, kein Wartungstechniker, kein Transportbote, bis sie registrierte, wie Saja und ihre Leute immer wieder an Kreuzungen und Treppen verharrten, als hätte ihnen jemand eine Warnung zukommen lassen, und dann einen alternativen Weg wählten. Plötzlich erschienen Chrylens die überall halb verborgen angebrachten Überwachungskameras nicht mehr feindlich, denn sie ahnte, dass es andere Augen waren, die sie dadurch beobachteten. Nicht die Sicherheitscrew des Gebäudes, sondern Verbündete dieses seltsamen Rettungstrupps, die sich in das System gehackt hatten.
Sie hatten auf diese Weise bestimmt 15 oder 20 Stockwerke überwunden und Chrylens schwamm in ihrem Anzug im eigenen Schweiß, als Saja sie anhielt.
»Joschua ist aufgewacht und hat seine private Sicherheitstruppe alarmiert – der Zerhacker hat die Frequenz seines Koms nicht stören können. Also wird es Zeit, eine Abkürzung zu nehmen.«
Chrylens nickte stumm und spürte, wie ihr der Hals eng wurde. Joschuas Sicherheitsleute waren ihr noch in lebhafter Erinnerung, denn sie hatten sie bei ihrem ersten und einzigen Fluchtversuch wieder eingefangen – höflich und unbeugsam wie Roboter. Im Laufe ihrer Ehe hatte sie aber auch die andere Seite dieser Männer und Frauen mitbekommen, deren Härte fast nahtlos in Grausamkeit übergehen konnte. Und Joschua war sicherlich nicht in einer milden Stimmung, wenn er sie wieder einfangen würde. Nein, ihr Mann würde nicht die offiziellen Sicherheitsleute alarmieren, das würde Aufsehen erregen und seinem Ruf schaden – und seine Handlungsfreiheiten einschränken. Wenn seine eigenen Leute sie und Sajas Trupp gefangen nahmen, konnte er mit ihnen im Stillen machen, was er wollte...
Mit Mühe kämpfte sie das Gefühl der Übelkeit nieder und lief weiter hinter Saja her, die in ein winziges Mikro an ihrem Kehlkopf sprach. Sie kamen an eine Tür und verharrten dort zusammen mit den Schwarzgekleideten – es waren vier der vermeintlichen Musiker. Zum ersten Mal bemerkte Chrylens das Symbol einer Flamme auf deren Kampfanzügen und sie fragte sich, wer diese Fremden wohl waren.
»Ist Ihr Anzug zu? Auch die Haube?«, erkundigte sich Saja knapp und Chrylens prüfte mit raschen Griffen die Verschlüsse. Auch die schwarzen Leute zogen Hauben über und Saja bekam von ihnen eine Maske, die Mund und Nase umschloss.
»Gut, wir verlassen jetzt die Wartungsgänge und müssen über einen der öffentlichen Korridore. Wir sind jetzt im 31. Stockwerk.«
»Aber das ist ... hier ist unser ... ist Joschuas Appartement!«
»Genau. Und deswegen wird er uns hier bestimmt nicht vermuten. Ich hätte auch lieber die Treppen genommen, aber wir haben keine Zeit mehr.«
Chrylens benetzte ihre Lippen mit der Zungenspitze. War das alles nur ein Trick? Ein fieses Spiel von Joschua? »Die Sicherheitsanlagen hier sind besonders ausgefeilt«, warf sie ein, doch Saja nickt nur.
»Eben deswegen gehen wir hier lang.« Vermutlich bemerkte sie das Misstrauen und die Angst in Chrylens Blick, denn sie nahm sich einen Moment Zeit, ihr eine Hand auf den Arm zu legen. Das geschminkte Gesicht war ernst, ihr Blick war fest. »Vertrauen Sie uns. Wir werden keine der Anlagen auslösen und da Joschua sich so auf sie verlässt, wird es für ihn deswegen heißen, dass wir gar nicht hier sein können. Verstehen Sie?«
»Vielleicht.« Chrylens Gefühle stritten miteinander wie neidische
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