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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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Aber er hat Sie trotzdem als seinen Freund betrachtet?«
    Marco zuckte die Achseln. » Ich weiß nicht. Ich glaube, dass er mich respektiert hat. Er hat mich für kompetent gehalten. In den Kategorien, in denen Roger dachte, hat mich das wohl für eine Freundschaft qualifiziert. Und weil ich selbst auch kein Plappermaul bin, hat er sich in meiner Anwesenheit wahrscheinlich wohler gefühlt als in der anderer Menschen. Wie gesagt, wir sind miteinander ausgekommen.«
    » Ja, zu Beginn, sagten Sie«, konstatierte Wu. » Und zum Schluss nicht mehr?«
    Der Jeep hatte inzwischen noch einmal über sechs Kilometer durch die Sonora zurückgelegt, und am nördlichen Rand der Wüste war die Landschaft nun mit spielzeuggroßen Gebäuden, Wohnhäusern und einem Trailerpark gesprenkelt. Die Vororte von Yuma. Auf beiden Seiten der Gleise fiel die Wüste steil ab; Marco hielt sich mit dem Jeep in der Mitte und ging etwas vom Gas. Das Fahrzeug wurde langsamer und ruckelte nicht mehr so heftig. Marco wurde ein wenig schwindlig. Er erinnerte sich an seinen letzten Tag am Cedars-Sinai.
    Auf Wiedersehen, Henry, hatte Roger gesagt. Und Marco hatte ihn einfach ignoriert und war an ihm vorbeigegangen.
    Benommen griff Marco das Lenkrad noch fester. Die durch die Brandwunden gezeichneten Hände schmerzten noch immer, doch wenigstens wurde er durch den Schmerz in die Wirklichkeit zurückgeholt. Meine Güte, die Fahrt war eine richtige Tortur. Er wartete noch einen Augenblick, bis das Gefühl in seinen Körper zurückgekehrt war, ehe er Wu antwortete.
    » Nein, zum Schluss nicht mehr«, gestand er. » Und schon gar nicht zu dem Zeitpunkt, als ich gegangen bin.«
    » Und wie ist das gekommen?«
    » Weil…«, sagte Marco und verstummte gleich wieder; die Zunge schien ihm nach hinten in die Kehle zu rutschen. » Die Dinge hatten sich verändert«, fuhr er unbehaglich und mit glühenden Ohren fort. » Roger hatte sich verändert– er wirkte immer deprimierter und kapselte sich immer mehr ab. Als ob er sich noch tiefer in sein Schneckenhaus zurückgezogen hätte. Wenn man ihm auf dem Flur oder in der Kantine begegnete, wirkte er immer sehr beschäftigt und streifte die Leute mit seinen Blicken, ohne Notiz von ihnen zu nehmen. Das galt sogar für mich. Er ging an mir vorbei und sagte nicht einmal Hallo.«
    Und ich auch nicht, fügte er in Gedanken hinzu.
    » Wieso sind Sie gegangen?«, fragte Wu. Marco warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Wie viel wusste der Sergeant bereits? Doch Wus Gesichtsausdruck war starr und nichtssagend.
    » Es hatte sich in Arizona eine neue berufliche Perspektive ergeben«, antwortete Marco. » Am St.-Joseph-Krankenhaus.«
    Roger Ballard erschien vor seinem geistigen Auge. Das knochige, kantige Gesicht, verfrüht von Falten durchzogen, die Drahtgestellbrille nicht groß genug, um die schweren Tränensäcke unter den Augen zu kaschieren. Das straff zurückgekämmte dichte braune Haar. Hohle Wangen, die in einem schmalen Kinn ausliefen, und die leicht zur Seite verschobene Oberlippe, die den Eindruck vermittelte, er hätte ständig ein spöttisches Grinsen im Gesicht.
    Und flüsterte etwas.
    » Da war noch etwas Merkwürdiges«, erinnerte Marco sich. » Zum Ende hin hatte er viel in den Bart genuschelt. Man sah ihn am Schreibtisch sitzen und die Lippen bewegen, aber er sprach mit niemandem.«
    » Er hat Selbstgespräche geführt? Komisch.«
    Marco nickte. » Schließlich machten Gerüchte die Runde, dass er möglicherweise ein Alkohol- oder Drogenproblem hätte. Weil… es gibt da etwas, das Sie noch über Roger wissen müssen. Was ihm wahrscheinlich den Rest gegeben hat.« Marcos Mund war schon wieder trocken. » Es war etwas Schlimmes passiert.«
    Wu neigte interessiert den Kopf. » Etwas Schlimmes. Für Ballard?«
    » Nein, schlimm für einen Patienten. Aber es betraf Roger trotzdem. Die Leute sagten, es sei seine Schuld gewesen.« Marco holte tief Luft und straffte sich innerlich. Sag es. » Ein Baby war gestorben.«
    Wus Augen verengten sich.
    » Hypoxische ischämische Enzephalopathie«, fuhr Marco fort und sein Magen drehte sich dabei um. » Geburtsasphyxie. Eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff…«
    » Aufpassen«, unterbrach Wu ihn und deutete durch die Frontscheibe. » Da vorne ist ein Hindernis.«
    Marco setzte sich abrupt gerade hin. » Scheiße«, sagte er und trat voll auf die Bremse.
    6 . 3
    Ein Geisterzug blockierte die Schienen, leblos und verwittert wie die abgestreifte Haut einer Schlange.

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