Return Man: Roman (German Edition)
ein paar Tagen, an seinem ersten Morgen am See, gesehen und überprüft. Dann war er zu den Ferienhäusern gegangen, um sich zu vergewissern, dass er allein hier draußen war. Die acht identischen Häuser hatten in Reih und Glied vor ihm gestanden– ansehnliche Gebäude, aus rotbraunen Baumstämmen errichtet: Sie waren zweigeschossig und hatten einen angebauten Kamin aus Stein. Die Fenster glichen dunklen Höhlen.
Sämtliche Türen waren verschlossen, was er beruhigend fand. Die ehemaligen Bewohner waren wahrscheinlich aus eigenem Antrieb gegangen. Sie waren noch am Leben gewesen und dem Gewaltausbruch entkommen. Wahrscheinlich waren sie schon wieder zu Hause, als die Evakuierungsbefehle von der Regierung kamen. Er bezweifelte zwar, dass er hier noch jemanden finden würde, aber er musste sich natürlich überzeugen. Er schlug bei jeder Vordertür die Glasscheibe ein, wobei er mit seiner Isomatte den Schall dämpfte, und kroch dann mit gezogener Waffe durch die schattigen Flure. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und machte jedes Mal einen Satz, wenn ein Eichhörnchen über das Dach huschte.
Verlassen– alle verlassen. Sicher. Ausgeräumt waren sie auch, die Kommoden und Schränke leer. Auf dem Esstisch von Haus Nummer sieben– gleich neben dem Haus der Roarks– fand er eine handschriftliche Notiz:
Jay, du bist hoffentlich nicht hierhergekommen. Falls doch – wir mussten zu Kim und Robert nach Connecticut gehen. Bitte ruf an. Tut uns leid. Wir wussten nicht, wo du warst, und die Armee hat gesagt, dass wir nicht länger hierbleiben dürften. Es geht uns gut. Wir haben uns der Eskorte angeschlossen. Dir geht es hoffentlich auch gut. Dad hat gesagt, wir sollten dir die Remington dalassen, falls du kommst. Sie ist im Schrank im Flur.
Marco überprüfte den Schrank. Nichts außer ein paar Drahtkleiderbügeln und Sägespänen auf einem Sperrholzregal. Er steckte den Zettel in die Weste. Es war nämlich auch eine Telefonnummer daraufgekritzelt, und er spielte mit dem Gedanken, nach der Rückkehr zur Basis zu versuchen, telefonisch nach Connecticut durchzukommen. Um sich zu erkundigen, ob Jay überhaupt dort eingetroffen war.
Wie dem auch sei, diese Fußabdrücke waren schon nicht mehr so ausgeprägt, denn der Schlamm wurde vom morgendlichen Sprühregen neu modelliert. Außer an einer Stelle– dort befanden sich frische, scharf konturierte Abdrücke in den rostfarbenen Kiefernadeln.
Seine Hand schloss sich um die Glock. Er musterte die neuen Abdrücke und folgte ihnen in beiden Richtungen. Nach Norden wichen sie von seinem eigenen Pfad ab und verschwanden im Wald; nach Süden zogen sie sich im Zickzack zwischen den restlichen Bäumen hindurch zur sandigen Uferböschung. Genau in die Richtung, die Marco auch eingeschlagen hatte.
Roark, sagte er sich und entspannte sich. Dort hatte Marco die Leiche erstmals erspäht, als sie vom Waldrand zum Wasser trottete.
Mit neuem Mut folgte Marco den Spuren die letzten fünfzig Meter zum Strand. Am Waldrand verloren die Spuren sich im feinkörnigen Sand. Kein Problem. Er ging zielstrebig aufs Wasser zu und in Richtung des Docks und der Hütten am anderen Ende des Strands am Ufer entlang. Eine halbe Minute später sah er auch schon die mit schleimigen Algen überzogenen Felsen, wo er die Leiche niedergestreckt hatte.
» Scheiße«, sagte er.
Die Leiche war nicht mehr da.
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» Scheiße«, sagte Marco wieder– diesmal noch zorniger.
Er ließ den Blick über den See schweifen bis zu dem Bereich, wo das Wasser tiefer wurde. Wie er schon befürchtet hatte, schwamm die Leiche etwa zehn Meter vom Ufer entfernt, bekleidet mit einer vollgesogenen dunkelgrünen Hose, Arme und Beine gespreizt. Die Seite des Kopfs, aus der ein Stück herausgeschossen worden war, zeigte nach oben und zog Wasser. Die Leiche trieb mit jeder Sekunde weiter ab und hinterließ eine Spur aus Gehirnmasse und Schädelknochensplittern.
Marco begriff sofort, dass das Seil, das er mitgenommen hatte, ihm nichts nützen würde. Die Idee, die Leiche wie ein Cowboy mit dem Lasso einzufangen, erschien ihm nun reichlich absurd, während er zu dem immer kleiner werdenden Ziel spähte.
Er rieb sich die Stirn. Er hatte im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Auf den See hinauszuschwimmen– was bedeutete, dass er die Waffen an Land zurücklassen und sich ausziehen müsste, wenn er nicht die ganze Nacht in durchnässter Kleidung verbringen wollte. Bei den vielen Leichen, die sich hier herumtrieben, durfte er es nämlich
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