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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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gleiten.
    Doch diesmal geschah nichts.
    »O Gott«, begann Hirz.
    In diesem Moment, bevor sie noch fertig gesprochen hatte, geschah doch etwas, aber bevor wir es noch richtig wahrgenommen hatten, war es schon vorüber. Erst später – als wir die visuellen Aufzeichnungen unserer Anzüge abspielten – konnten wir das Ereignis nachvollziehen.
    Die Wände des Raumes waren uns – wie in jedem Raum, den wir bisher durchquert hatten – vollkommen glatt erschienen. Doch nun schoss plötzlich auf Hüfthöhe eine starre Metallstange mit scharfer Spitze daraus hervor, sauste wie der Blitz quer durch den Raum und verschwand auf der anderen Seite in der Wand wie ein Speer im Wasser. Keiner von uns hatte Zeit, sie überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn, darauf zu reagieren. Selbst die Anzüge – darauf programmiert, allen beweglichen Hindernissen sofort auszuweichen – waren zu langsam. Bis sie sich in Bewegung setzten, war der Speer schon wieder verschwunden. Und wenn es nur diesen einen gegeben hätte, wäre uns vielleicht überhaupt entgangen, dass etwas passiert war.
    Doch einen Sekundenbruchteil nach dem ersten tauchte ein zweiter auf und schoss in einem etwas anderen Winkel durch den Raum.
    Wie es der Zufall wollte, stand Forqueray in seiner Bahn.
    Der Speer ging durch ihn hindurch wie durch eine Rauchwolke. Sein Körper konnte ihn nicht aufhalten. Aber dicht unterhalb des Ellbogens, wo ihn das Ding getroffen hatte, spritzte eine Blutfontäne heraus und folgte ihm wie ein Kometenschweif. Der Druck im Raum lag immer noch deutlich unter einer Atmosphäre.
    Forquerays Anzug reagierte beeindruckend rasch, für den Speer aber dennoch zu träge.
    Er schätzte ab, wie stark der Arm beschädigt war, berechnete, wie schnell die Selbstreparatursysteme das zwei Zentimeter große Loch abdichten konnten, und traf eine rasche Entscheidung. Die Anzugintegrität ließe sich zwar wiederherstellen, aber nicht, bevor ein unverhältnismäßig hoher Blut- und Druckverlust eingetreten wäre. Da er in erster Linie die Pflicht hatte, seinen Träger um jeden Preis am Leben zu erhalten, beschloss er, den Arm oberhalb der Wunde zu amputieren. Prompt durchtrennten hyperscharfe Irisklingen Fleisch und Knochen.
    Bevor irgendwelche Schmerzsignale an Forquerays Gehirn gelangen konnten, war schon alles vorüber. Der Captain wurde erst auf sein Missgeschick aufmerksam, als ihm sein Arm klirrend vor die Füße fiel.
    »Ich glaube …«, setzte er an. Hirz sprang auf ihn zu und stützte ihn, so gut sie konnte.
    Forquerays amputierter Arm endete in einer glatten silbernen Iris.
    »Nicht sprechen«, mahnte Childe.
    Forqueray stand noch aufrecht und betrachtete seine Verletzung mit einem geradezu faszinierten Gesichtsausdruck. »Ich …«
    »Ich sagte, nicht sprechen.« Childe kniete nieder, hob den abgetrennten Arm auf und zeigte ihn dem Captain. Er hatte ein glattes Loch, man konnte hindurchsehen wie durch einen Gewehrlauf.
    »Ich werde überleben«, würgte Forqueray hervor.
    »Ja, Sie werden überleben«, bestätigte Trintignant. »Und Sie können sogar noch von Glück reden. Hätte das Projektil nicht nur eine Extremität, sondern Ihren Rumpf durchschlagen, dann könnten wir dieses Gespräch jetzt nicht mehr führen.«
    »Das nennen Sie Glück?«
    »Eine solche Verletzung lässt sich mit einem kleinen Eingriff beheben. Wir haben an Bord des Shuttles alle erforderlichen Instrumente.«
    Hirz sah sich beunruhigt um. »Ob die Bestrafung damit beendet ist?«
    »Wenn nicht, würden wir es schon merken«, sagte ich. »Das war immerhin erst unser erster Fehler. Wir müssen natürlich damit rechnen, dass die Schläge in Zukunft etwas härter ausfallen.«
    »Dann sollten wir besser keine weiteren Böcke mehr schießen?«, bemerkte Hirz in Richtung Celestine.
    Ich hatte empörten Widerspruch erwartet. Celestine hätte Hirz mit Fug und Recht daran erinnern können, dass – hätte man uns übrige gezwungen zu wählen – die Chancen, die richtige Lösung zu finden, nicht besser als eins zu sechs gestanden hätten. Ein miserables Verhältnis.
    Doch Celestine antwortete tonlos und wie benommen, als könnte sie nicht fassen, dass ihr ein solcher Fehler unterlaufen sein sollte.
    »Es tut mir Leid … Ich muss wohl …«
    »Die falsche Entscheidung getroffen haben. Sicher.« Ich nickte. »Und das wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein. Du hast dein Bestes getan, Celestine – und du warst immer noch jedem von uns überlegen.«
    »Ich war nicht gut

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