Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit
zivilen Anlegebrücke auf halber Höhe von Sukhothais Kern an. Feuerräder und rote, indigoblaue und satt grüne Lichterkaskaden erhellten den Himmel über den Vakuumblasen. Die Farben erinnerten sie an die Organismen, die sie und Mina im Kielwasser der Sensorkapsel ihres Luftschiffs gesehen hatten. Mit einem Mal fühlte sie sich traurig und erschöpft und war überzeugt, mit der Übernahme dieses Auftrags einen schweren Fehler begangen zu haben.
»Naqi?«
Tak Thonburi trat zu ihr auf den Balkon. Sie hatten sich im Lauf des Tages bereits über Funk verständigt. Er war in voller Gala und wirkte ziemlich betrunken.
»Vorsitzender Thonburi.«
»Sehr freundlich von Ihnen, sich hierher zu bemühen, Naqi.« Sie bemerkte, wie er ihre Figur mit wissenschaftlicher Gründlichkeit musterte und hier und dort an besonders interessanten Stellen innehielt. »Gefällt Ihnen das Spektakel?«
»Sie genießen es wohl sehr, Sir?«
»O ja, gewiss. Ich war schon immer verrückt nach Feuerwerken.« Er drängte ihr ein Glas auf und wartete mit ihr gemeinsam das Ende des leicht enttäuschenden Schauspiels ab. Danach trat eine Pause ein, aber Naqi sah, dass die Zuschauer auf den anderen Balkonen stehen blieben, als käme noch etwas. Endlich begannen die Projektoren im Shuttle der Stimme des Abends mit der Ausstrahlung einer phantastischen dreidimensionalen Bilderschau. Über Sukhothai-Sanikiluaq lieferten sich chinesische Drachen von Bergesgröße epische Schlachten. Seeungeheuer wälzten sich zuckend durch die Nacht. Himmlische Zitadellen standen in Flammen. Heerscharen von feurigen Engeln mit purpurnen Schwingen und obskuren Musikinstrumenten oder Waffen in den Händen fielen in dichten Geschwadern vom Himmel.
Aus dem Meer stieg ein buntscheckiger Riese auf, als wäre er aus jahrhundertelangem Schlummer erwacht.
Es war ungemein eindrucksvoll.
»Dreckskerle«, murmelte Thonburi.
»Sir?«
»Dreckskerle«, wiederholte er etwas lauter. »Wir wissen doch, dass sie uns überlegen sind. Warum müssen sie uns immer wieder daran erinnern?«
Er führte Naqi in den Empfangsraum, wo die Abgesandten der Vahishta-Stiftung bewirtet wurden. Die Rückkehr ins Gebäude hatte auf wundersame Weise seine Sinne geschärft. Naqi vermutete, dass diese Gabe, auf Knopfdruck betrunken und wieder nüchtern zu werden, zu den wichtigsten Eigenschaften eines Diplomaten gehöre.
Er beugte sich zu ihr und raunte: »Hat Jotah etwas von …«
»Sicherheitsbedenken, Vorsitzender? Ja, ich bin im Bild.«
»Wahrscheinlich hat es gar nichts zu bedeuten, aber …«
»Ich verstehe. Vorsicht ist besser als Nachsicht.«
Er zwinkerte ihr zu und berührte mit dem Finger seine Nase. »Genau.«
Drinnen war es nach der Dunkelheit auf dem Balkon fast zu hell. Zwanzig Vahishta-Delegierte standen dicht gedrängt in der Mitte des Raums. Der Captain fehlte – Moreau machte sich seit der Ankunft des Shuttles in Umingmaktok ziemlich rar –, aber die Delegierten unterhielten sich mit einigen hohen Tieren der Stadt, von denen Naqi niemanden kannte. Thonburi steuerte schnurstracks auf die Gruppe zu und unterbrach rücksichtslos alle Gespräche.
»Meine Damen und Herren … Ich möchte Ihnen Naqi Okpik vorstellen: Sie leitet das Forschungsprogramm des Seemauer-Projekts und wird Ihnen während Ihres Besuchs dort zur Verfügung stehen.«
»Sie sind also Naqi.« Amesha Crane beugte sich vor und schüttelte ihr die Hand. »Sehr erfreut. Ich habe soeben Ihre Aufsätze über die Informationspropagierung in Knoten dritter Ordnung gelesen. Sehr aufschlussreich.«
»Es waren Gemeinschaftsarbeiten«, sagte Naqi. »Mein Beitrag war nicht allzu bedeutend.«
»O doch, Sie haben sich große Verdienste erworben. Sie alle, meine ich. Sie sind mit einem Minimum an Aufwand zu Ihren Ergebnissen gelangt und haben verschiedene extrem simple numerische Verfahren sehr kreativ eingesetzt.«
»Man schlägt sich so durch«, sagte Naqi.
Crane nickte begeistert. »Es muss sehr befriedigend für Sie sein.«
Tak Thonburi schaltete sich ein. »Es ist einfach eine Art Philosophie. Wir betreiben nicht nur unsere Forschungen im stillen Kämmerlein, wir halten auch sonst nur begrenzt Verbindung zu anderen Kolonien. Als Gesellschaftsmodell hat dies seine Nachteile, aber es bringt mit sich, dass wir nicht ständig auf irgendeine andere Welt neidisch sind, die uns wegen irgendeines Zufalls in ihrer Geschichte oder Geografie um ein paar Jahrzehnte voraus ist. Und wir finden, dass die Gewinne die Kosten mehr
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