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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Hände waren mit einem Netz aus olivgrünen Adern überzogen.
    Naqi ließ sich auf den Stuhl sinken. »Zwei Jahre, Sir.«
    »Und sind Sie … darüber hinweg?«
    »Das kann ich so nicht sagen, Sir, nein. Aber das Leben geht schließlich weiter. Eigentlich hatte ich gehofft …« Naqi wollte schon gestehen, sie hätte gedacht, dieses Kapitel mit der Ankunft der Besucher abschließen zu können. Aber sie konnte ihre Gefühle wohl kaum so vermitteln, dass Dr. Sivaraksa sie verstünde. »Nun, ich hatte gehofft, die ganze Sache inzwischen hinter mir zu haben.«
    »Ich kannte einmal einen Konformalen. Er stammte von Gjoa. Schaffte es ins Elitecorps der Schwimmer, bevor irgendjemand auch nur ahnte …«
    »Es ist nicht bewiesen, dass Mina konformal war.«
    »Nein, aber es deutete doch vieles darauf hin, nicht wahr? Bis zu einem gewissen Grad sind wir alle für symbiotische Invasionen durch die Mikroorganismen im Ozean offen. Aber bei Konformalen ist diese Disposition besonders stark. Einerseits hat es den Anschein, als forderten sie die Invasion förmlich heraus, indem sie die üblichen Entzündungs- oder Zellabwehrmechanismen ihres Körpers einfach abschalten. Andererseits formt der Ozean seine Boten so um, dass sie optimal eindringen können, als hätten sich die Schieber eine ganz bestimmte Zielperson ausgesucht, um sie zu absorbieren. Bei Mina waren die Muster der Pilzflechte sehr ausgeprägt, nicht wahr?«
    »Ich habe schon stärkere gesehen«, sagte Naqi, und das war nicht einmal gelogen.
    »Aber wohl kaum bei jemandem, der jemals versucht hätte, mit den Schiebern zu kommunizieren. Hatten Sie nicht selbst einmal die Aufnahme ins Schwimmercorps angestrebt?«
    »Das war, bevor das alles passierte.«
    »Ich verstehe. Und jetzt?«
    Naqi hatte nie jemandem erzählt, dass sie damals mit Mina geschwommen war. Selbst wenn sie Minas Tod nicht miterlebt hätte, nach der Begegnung mit dem bösartigen Bewusstsein wäre ihr die Lust auf weitere Kontakte mit dem Ozean ein für alle Mal vergangen.
    »Ich bin nicht dafür geschaffen. Das ist alles.«
    Jotah Sivaraksa nickte feierlich. »Eine kluge Entscheidung. Ob geeignet oder nicht, Sie wären ohnehin mit großer Wahrscheinlichkeit durch das Raster gefallen. Eine direkte genetische Verwandtschaft mit einer Konformalen – auch wenn die Veranlagung nicht offiziell festgestellt wurde – wäre ein zu großes Risiko.«
    »Das dachte ich mir, Sir.«
    »Belastet es Sie, Naqi?«
    Sie hatte allmählich genug von seinen Fragen. Auf sie wartete eine Menge Arbeit: Termine, die Sivaraksa selbst vorgegeben hatte.
    »Was sollte mich belasten?«
    Er nickte zum Meer hin. Jetzt fiel das Licht in einem klein wenig anderen Winkel auf das Wasser. Das narbige Leder hatte sich in gehämmertes Bronzeblech verwandelt. »Die Vorstellung, dass Mina immer noch da draußen sein könnte … in irgendeiner Form.«
    »Das könnte mich belasten, wenn ich Schwimmer wäre, Sir. Ansonsten … Nein, ich denke nicht. Meine Schwester ist tot. Das ist alles, was für mich zählt.«
    »Schwimmer berichten gelegentlich von Begegnungen mit dem Bewusstsein – dem Geist – eines Verstorbenen, Naqi. Das hinterlässt oft einen tiefen Eindruck. Konformierte prägen den Ozean stärker und dauerhafter als einfache Schwimmer. Man ahnt, dass es dafür bestimmte Gründe geben muss.«
    »Dazu kann ich nichts sagen, Sir.«
    »Nein.« Er blickte auf sein Notepad nieder und legte den Zeigefinger an die Oberlippe. »Nein. Natürlich nicht. Nun, kommen wir zur Sache …«
    Sie unterbrach ihn. »Sind Sie jemals geschwommen, Sir?«
    »Ja, gewiss. Früher einmal.« Eine lange Pause. Sie wollte etwas – irgendetwas – sagen, doch da fuhr Sivaraksa schon fort: »Ich musste aus gesundheitlichen Gründen damit aufhören. Sonst wäre ich vermutlich sehr viel länger im Schwimmercorps geblieben, mindestens so lange, bis meine Hände sich grün verfärbt hätten.«
    »Was haben Sie dabei empfunden?«
    »Es war überwältigend. Ganz anders, als ich erwartet hatte.«
    »Haben die Schieber Sie verändert?«
    Er lächelte. »Bis jetzt hatte ich eigentlich nicht den Eindruck. Nachdem ich das letzte Mal geschwommen war, unterzog ich mich den üblichen neurologischen und psychologischen Tests. Man fand keinerlei Anomalien; keinen Hinweis, dass die Schieber mir Züge nichtmenschlicher Persönlichkeiten aufgeprägt oder mein Bewusstsein so manipuliert hätten, dass ich wie ein Alien dachte.«
    Sivaraksa streckte die Hand nach dem grauen Würfel aus,

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