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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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hypersensitiven Instrumenten, die in den nächsten Monaten eingebaut werden sollten … aber besser primitiv als nichts.
    Sie lachte laut auf. Noch vor einer Stunde hätte sie sich die Haare lieber einzeln ausgerissen, als sich an diesem Fiasko auch noch zu beteiligen.
    Naqi ging am Geländer entlang bis zu einem Fernglas auf einem Sockel, das zum Schutz gegen die Fäule dick eingefettet war. Sie wischte Linsen und Okular mit dem Lappen ab, der am Sockel hing, dann schwenkte sie das Fernglas langsam herum und suchte die schwarze Oberfläche im Innern des Ringwalls ab. Freies Wasser sah sie, wenn überhaupt, nur in verschwommenen Flecken. Der Rest bestand entweder aus einem grünen Brei von Schieberorganismen oder aus regelrechten schwimmenden Inseln aus organisierter Materie, die durch Stämme und Adern der gleichen grünen Biomasse miteinander verbunden waren. Nach neuesten Schätzungen befanden sich drei kleine Knoten innerhalb des Ringes. Über allem lag ein entsetzlicher Geruch, aber auch das war ein hervorragendes Zeichen: seine Stärke war direkt abhängig von der Dichte der Organismen innerhalb eines Knotens. Sie war diesem Geruch oft genug begegnet, aber er riss sie jedes Mal wieder zurück an jenen Morgen, als Mina umgekommen war.
    Falls die Musterschieber überhaupt ein ›Bewusstsein‹ hatten, mussten sie spüren, was hier vorging. Sie hatten den Geist von Schwimmern getrunken, die bereits in der Nähe oder innerhalb des Ringwalls ins Meer gestiegen waren, und von diesen Schwimmern hatte jeder gewusst, worauf das Projekt letztlich abzielte. Möglicherweise konnte dieses Wissen nicht in eine Form gebracht werden, die für die Aliens verständlich war, aber das hielt Naqi für unwahrscheinlich: der Ringschluss der Seemauer war ein Konzept, wie man es sich schlichter kaum vorstellen konnte. Und wenn die Schieber etwas verstanden, dann waren es geometrische Formen. Dennoch blieben die Aliens innerhalb des Ringwalls und signalisierten damit, die endgültige Schließung, die sie vom Rest des Ozeans trennen sollte, dulden zu wollen.
    Vielleicht konnte sie das Ereignis nicht beeindrucken. Vielleicht wussten sie, dass es sie nicht jeder Kommunikationsverbindung berauben, sondern ihnen nur das chemische Medium des Ozeans nehmen würde. Mit Sprites und anderen fliegenden Organismen ließe sich die Barriere immer noch überwinden. Man wusste es einfach nicht, dachte Naqi, und es gab nur eine Möglichkeit, es zu erfahren: man musste das Experiment abschließen – musste die massiven Wassertore schließen – und abwarten, was dann geschah.
    Sie nahm die Augen vom Fernglas und trat zurück.
    Dann sah sie etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Innerhalb des Ringwalls fuhr ein harter weißer Lichtblitz über das Wasser.
    Naqi blinzelte, konnte aber nicht erkennen, was es war. Sie schwenkte das Fernglas hart herum, drückte abermals die Augen an das Okular und bewegte das Glas so lange hin und her, bis etwas durch ihr Blickfeld schoss. Zu diesem Punkt schwenkte sie zurück und hielt ihn fest.
    Es war ein Boot, und jemand befand sich darin.
    Sie schaltete auf Zoom/Bildstabilisierung. Das einen Kilometer entfernte Fahrzeug schwoll an und wurde scharf. Es war eins der Boote mit Keramikrumpf, wie sie die Schwimmerteams verwendeten, und es maß vom Bug bis zum Heck fünf oder sechs Meter. Eine Gestalt saß hinter dem gewölbten Spritzwasserschirm und hielt mit beiden Händen den Griff der Steuersäule umfasst. Das Boot fuhr mit einem Innenbordmotor, der mit dem Wasser nicht in Berührung kam.
    Der Insasse war schwer zu erkennen, aber dank der wallenden orangeroten Gewänder war keine Verwechslung möglich. Es war einer der Vahishta-Delegierten. Und Naqi war überzeugt, dass es sich um Rafael Weir handelte.
    Er steuerte auf den nächsten Knoten zu.
    Qualvolle Sekunden der Unschlüssigkeit folgten. Er wollte sicher schwimmen, dachte sie, wie damals Mina und sie selbst. Und er wäre auf das Erlebnis nicht besser vorbereitet. Sie musste ihn irgendwie aufhalten. Nur ein paar Minuten, dann hätte er den Knoten erreicht.
    Naqi rannte zum Turm zurück und kam ganz außer Atem dort an. An einer Kommunikationsstation suchte sie die richtige Frequenz für das Boot. Aber entweder beging sie einen Bedienungsfehler, oder Weir hatte das Funkgerät unbrauchbar gemacht. Was nun? Theoretisch wurde die Seemauer von Sicherheitsbeamten überwacht, außer während des offiziellen Besuchs. Aber was verstanden die Gorillas schon davon, wie man ein

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