Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
Informationen fehlten tatsächlich. Der Kommissar nahm den Ordner und ging zum Schreibtisch von Frau Becker.
»Sagen Sie, wo finde ich die Informationen über dieses Mädchen hier? Das Mädchen, das überlebt hat? Warum befinden sich keine Unterlagen mehr darin?«
Frau Becker nahm sich den Ordner und überprüfte einige der Kürzel und Erklärungszeichen.
»Das liegt daran, dass die Daten gelöscht wurden. Die Familienangehörigen, oder wie in diesem Fall die Person selbst, können die Löschung beantragen, wenn der Sachverhalt über den Verbleib der Person geklärt ist. Und da das Mädchen nicht mehr vermisst wurde, hat man den Eintrag auf ihren Wunsch hin löschen lassen.«
»Ist das denn üblich?«
»Nein. Normalerweise wird das nicht gewünscht. Es wird im Regelfall lediglich ein zusätzlicher Vermerk in die Akte eingetragen, dass sie wieder aufgetaucht ist und somit nicht mehr als vermisst gilt.«
»Hm, verstehe.«
Cornelia Becker tippte etwas in ihren Computer. Zufrieden deutete sie auf den Bildschirm. »Dachteich es mir doch. Die Dame war erst vor kurzem hier, um die Eintragungen zu löschen.«
»Tatsächlich? Wann war das genau?«
»Laut Eintrag dürfte das sieben Monate her sein.«
»Ich glaube, ich kann mich sogar noch an die Dame erinnern. Kommt ja wie gesagt nicht oft vor, dass eine Vermisste vor einem steht und ihre Löschung beantragt. Ich hatte mich noch gewundert, warum sie hier eine Sonnenbrille trug. Naja, jedenfalls hat sie die Löschung für sich und für ihre Schwester beantragt.«
»Für ihre Schwester?«, fragte Seeberg verblüfft nach.
»Ja, ich kann mich daran erinnern, dass ihre Schwester zunächst ebenfalls vermisst wurde, dann aber für tot erklärt worden war.«
»Verdammt. Ich muss unbedingt Kontakt zu dieser Frau bekommen. Sie weiß wahrscheinlich, wer als Täter in Frage kommt. Dadurch schwebt sie in großer Gefahr. Haben Sie einen Namen oder eine Adresse? Sie musste sich doch bestimmt ausweisen.«
»Natürlich. Da sind wir ganz korrekt.«
»Gott sei Dank. Und, wie hieß sie?«
»Das kann ich Ihnen heute nicht mehr sagen. Wir sind aus Gründen des Datenschutzes dazu verpflichtet, bei einer Löschung alle Daten nach exakt vier Wochen zu vernichten.«
»Das ist nicht Ihr Ernst, oder?
»Leider doch. Und ich kann mich beim besten Willen auch nicht mehr an den Namen erinnern.«
»Können Sie sich denn wenigstens noch an ihr Aussehen erinnern? War sie groß oder klein? Dick oder eher schlank?«
»Ich weiß nur noch, dass sie dunkle Haare hatte und eine Sonnenbrille trug.«
»Wie alt war die Frau?«
»Vielleicht dreißig.«
»Ist Ihnen sonst irgend etwas aufgefallen?«
Frau Becker überlegte. »Ja, da war etwas. Ein Rechnungsbeleg.«
»Ein Rechnungsbeleg?«
»Als sie die Akte entgegennahm, fiel ein Beleg von einem Steinmetz zu Boden. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise ist es nämlich so, dass die Angehörigen die Beisetzung und den Grabstein bezahlen. In diesem Fall ist aber anscheinend die öffentliche Hand für diese Kosten aufgekommen, sonst wäre in den Unterlagen kein Beleg dafür gewesen.«
»Das bedeutet?«
»Das bedeutet, dass wir diese Kosten irgendwo verbucht haben müssen.«
»Und über den Kassenbeleg kommt man vielleicht an den Namen der Toten.«
»Genau.«
»Sie sind ein wahrer Goldschatz, Frau Becker. Können Sie das für mich herausfinden?«
»Warten Sie, ich rufe direkt in der Kassenstelle an.«
Sie drückte ein paar Tasten am Telefon und wartete darauf, dass am anderen Ende abgenommen wurde.
»Hallo. Hier ist Becker vom Archiv. Könnten sie bitte mal in den Rechnungen für das Jahr 2005 nachschauen. Dort müsste eine Buchung über einen Grabstein zu finden sein. Ja, ich warte.«
Frau Becker deutete auf den Hörer und flüsterte dem Kommissar zu, dass man direkt nachschauen würde. Die Sekunden vergingen schleppend.
»Ja, ich bin noch da. Okay, ich notiere … danke.«
Frau Becker riss den obersten Zettel vom Notizblock und reichte ihn dem Kommissar.
»Steinmetzbetrieb Kauder, die Adresse und die Telefonnummer habe ich Ihnen ebenfalls mit aufgeschrieben.«
33.
Der Verkäufer war noch mit einem Kunden am Kassenbereich beschäftigt. Kommissar Seeberg nickte dem Mann zu und ging derweil durch den Verkaufsraum. Er war erstaunt, wie viele Arten von Steinen es für Gräber gab. Bei Laura hatte er sich, ohne groß zuüberlegen, auf einen hellen Stein festgelegt, den ihm der Bestatter empfohlen hatte. Sein einziger Wunsch war es gewesen,
Weitere Kostenlose Bücher