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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allerheiligen
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würde, dass er sich zu den Proben gesellte. Dass sie ihn in Schutz nahm, überraschte ihn jedoch. Allerdings war es fruchtlos, sich Gedanken zu machen, weil Peter in den vergangenen Monaten gelernt hatte, dass er meistens falschlag, wenn er versuchte, Flora zu interpretieren. Ein Teil der Faszination, die sie auf ihn ausübte, war nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sie ihm ein Rätsel war.
    Von Flora wanderten seine Gedanken unweigerlich zu Harald Sander. Die Überzeugung, dass Harald die Akte über Hannelore Heigl hatte verschwinden lassen, konnte ihm niemand ausreden. Für Peter war klar, was geschehen war. Die Angelegenheit war zeitlich mit Floras Trennung von Harald zusammengefallen. Harald hatte den Kopf mit anderen Dingen voll gehabt, vor allem mit seinem verletzten Stolz, und sich wenig Mühe gegeben mit einem Fall, der so klar zu sein schien.
    Es war ohnehin egal. Harald Sander und seine SOKO »Wettin« waren jetzt am Ball. Er konnte nichts tun. Seufzend schnappte er sich den Staubsauger.
58 .
    Am Ende hatte der Staub sich geschlagen gegeben, war die Spülmaschine aus- und waren die Küchenschränke eingeräumt, waren die Oberflächen aller Möbel gewischt, die herumliegenden Bücher in die Regale geräumt, das Bett frisch bezogen und die Pflanzen gegossen, und Peter machte sich an die Aufgabe, in sein Herzogskostüm zu schlüpfen. Von draußen drangen die Geräusche eines frühen Samstagabends herein: im Wesentlichen das Lachen von Menschen, die ausgingen, und das jähe Aufheulen von Automotoren, deren Besitzer damit zu zeigen meinten, dass sie größere Manneskraft besaßen als alle anderen. Peter nahm die Gewandteile vom Sofa und schleppte sie ins Schlafzimmer.
    Als er das Kettenhemd anlegte, geriet er in Schwierigkeiten. Es wurde am Rücken mit Lederbändern geschnürt, und Peter hatte die Bänder nicht weit genug geöffnet, um es über die Schultern ziehen zu können. Beim Versuch, sich wieder herauszuwinden, zerrten die metallenen Ringe das lange Hemd mit sich, das er daruntertrug. Metall und Stoff gerieten sich irgendwie in die Quere, und Peter stand plötzlich im Dunkeln, mit einem zwanzig Kilogramm schweren Kettenhemd über dem Kopf und auf den Schultern, das sich bei aller Geschmeidigkeit nicht mehr herunterzerren ließ.
    Wie es sich in solchen Fällen gehörte, läutete die Türglocke.
    »Lass dich selber rein!«, brüllte Peter, der mit nach oben gereckten Armen dastand und sich wand wie ein Aal. Er konnte nur hoffen, dass sein Vater ihn hörte. »Ist offen!«
    Ob Daniel seine Aufforderung befolgte, konnte Peter nicht hören. Es war nicht so, dass er mit der Untertunika und dem Kettenhemd um den Kopf keine Luft bekommen hätte, aber ein leiser Anflug von Panik ließ sich nicht leugnen. Das schwere Metall drückte gegen seinen Hals, und wo er es auch mit den Fingerspitzen zu fassen bekam, er konnte es nicht über den Kopf ziehen. Er begann zu fluchen.
    »Ich bin hier drin!«, rief er durch Stoff und Metall hindurch. »Und ich könnte Hilfe gebrauchen.«
    Er spürte, wie jemand an ihm zerrte und rüttelte und an Bändern zog. Plötzlich löste sich etwas, und das Kettenhemd glitt an seinen ausgestreckten Armen und über seine Schultern nach unten, nahm den gebauschten Stoff der Untertunika mit, riss ihm eine Handvoll Haare aus und legte sich plötzlich so geschmeidig und schwer auf seinen Oberkörper, wie es sein musste. Er holte dankbar Luft.
    »Mistding«, stieß er knurrend aus. »Danke, Pa!« Er drehte sich schwerfällig um.
    »Wennschon, dann ›Danke, Ma!‹«, sagte Flora und lächelte.
    Peter war ebenso überrascht wie erfreut. »Hey«, sagte er. »Gutes Timing. Fünf Minuten später, und ich hätte das Ding vor Wut zerfetzt.« Er zupfte an dem Kettenhemd, das sich vermutlich nicht einmal mit zwei Traktoren hätte auseinanderreißen lassen.
    Flora hielt einen Schlüssel hoch. »Dein Pa hat ihn mir gegeben. Er meinte, du würdest vielleicht das Klingeln nicht hören, weil du gerade deinen Putzwahn auslebst.«
    Sie ruckte am Halsausschnitt des Kettenhemds und zerrte an dem Stoff, der sich immer noch unangenehm darunter bauschte. »Das musst du noch mal ausziehen«, murmelte sie und räusperte sich. »Ich bin gekommen, um mich bei dir zu entschuldigen«, sagte sie dann auf die förmliche Art, die sie immer an den Tag legte, wenn ihr etwas peinlich war und sie um Verzeihung bat.
    Peter, der anfangs stets mit »Macht nichts!« darauf geantwortet hatte, wusste mittlerweile, dass eine

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