Richard Dübell
Wasserpistolen an. Offensichtlich hatten sie das Trauma, heute nicht in die Klavier- und Ballettstunde gehen zu können, überwunden. Aus dem Haus ertönte das Geräusch eines Staubsaugers. Peter sah den Kindern zu und fühlte sich versucht, sein erneut unter den Achseln klebendes Hemd auszuziehen und sich in das Planschbecken fallen zu lassen. Die Spätnachmittagssonne lag auf dem Garten und verwandelte ihn in den heißen Sommertraum jedes Mannes, der Zeit hatte, ihn zu genießen.
»Frau Anneliese Klopek ist Ihre Mutter?«, fragte Peter.
Marko Klopek schien aus dem Gleichgewicht gebracht. »Äh? Ja …« Seine Miene verschloss sich. »Was wollen Sie von meiner Mutter?«
»Können wir mit ihr sprechen?«
»Meine Eltern leben nicht mehr hier.«
Flora warf Peter einen Seitenblick zu, in dem er die Enttäuschung darüber lesen konnte, dass die Spur so schnell schon wieder austrocknete. »Wo leben Ihre Eltern?«, fragte sie, offenbar in der Hoffnung, dass Marko Klopek sagen würde: Eine Straße weiter.
»In Kempten. Würden Sie mir bitte sagen, was Sie von meiner Mutter wollen!«
»Hannelore Heigl war demnach Ihre Tante?«, erkundigte sich Peter, der sich auf die nächstbeste Fährte konzentrierte – auch wenn die Schwester der Toten nicht greifbar war, saß ihnen immerhin deren Neffe gegenüber.
Marko Klopek starrte ihn sprachlos an, sichtlich nicht gewillt oder in der Lage, Peters gedanklichen Slalomkurs mitzugehen.
»Wir ermitteln wegen des Selbstmords Ihrer Tante«, erklärte Peter.
»Aber das war doch vor über zehn Jahren!«, stieß Marko Klopek hervor.
Peter beschloss, dass ein bisschen mehr Offenheit nicht schaden konnte. Der Mann hier war kein Verdächtiger, sondern ein Zeuge und auf jeden Fall ein Unschuldiger, der heute schon genug Ärger mit der Polizei gehabt hatte. »Wir greifen alle möglichen Aspekte auf, die mit dem Tod von Natalie Seitz zusammenhängen könnten. Sie sind mit der Familie Heigl verwandt. Sicher gab es damals diverse Theorien, warum Ihre Tante sich das Leben genommen hat.«
»Ach Gott …« Marko sah sich suchend um und deutete schließlich in eine Ecke des Gartens, wo ein blaubemalter Gartentisch mit vier Klappstühlen stand. »Kinder, etwas leiser, bitte! Lukas, nicht in den Nachbargarten rüberspritzen!«
»Das ist meine Super Soaker Hydro Cannon!«, rief der Junge, der sechs Jahre alt sein mochte. »Die kann nur weit schießen!«
»Dann ziel woandershin«, entgegnete Marko Klopek ruhig.
»Okay, Papa!« Der Junge nahm seine Schwester aufs Korn, die mit einer ähnlich aussehenden Knarre das Feuer erwiderte. Die beiden Kinder kreischten und lachten.
Peter fing Floras Seitenblick auf. Sie lächelte anerkennend. Marko Klopek hatte sie offenbar bereits überzeugt; aber auch Peter fand den ruhigen, auf den ersten Blick zerstreut wirkenden Mann sympathisch. Unwillkürlich fragte er sich, wieso ein Mann wie er zu einer Zicke wie Karoline Petersen-Klopek zur Frau gekommen war.
»In unseren Akten steht, dass beim Tod Ihrer Tante eine Schusswaffe eine Rolle spielte.«
»Sie hat sich erschossen«, bestätigte Marko Klopek, nachdem sie am Gartentisch Platz genommen hatten. »In dem Waldstück gleich unterhalb ihres Hauses. Es hieß, sie müsse es getan haben, als der Zug vorbeifuhr, sonst hätte man den Schuss gehört.«
Peter fühlte unwillkürlich einen kalten Schauer, als er daran dachte, wie er sich aus dem Wäldchen heraus beobachtet gefühlt hatte. Seine Regung war lächerlich und abergläubisch, aber seine Gänsehaut kümmerte sich nicht um solche Argumente.
»Onkel Tristan war im Schützenverein«, erklärte Marko. Er machte eine Handbewegung, die die ganze Nachbarschaft umfasste. »Die alten Männer hier waren fast alle im Schützenverein. Das gehörte in ihrer Generation dazu.« Unausgesprochen war klar, dass Marko Klopek eine Schusswaffe nicht einmal mit der Zange anfassen würde. Sein Sohn ballerte derweil den Inhalt seiner gewaltigen Wasserpistole in Richtung seiner Schwester und jauchzte. »Er hatte ein paar Pistolen und Revolver. Ihre Kollegen haben sie damals alle beschlagnahmt und erst nach Monaten wieder freigegeben. Soweit ich weiß, ist Onkel Tristan aber schon vorher nicht mehr in den Schützenverein gegangen, und nachher erst recht nicht mehr. Tante Hannelore hat sich mit einer 44 er Magnum erschossen«, fügte Marko hinzu. »Es hieß, sie hätte schlimm ausgesehen …«
» 44 er Magnum ist ein Patronenmaß, kein Waffentyp«, hörte Peter sich sagen.
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