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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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über den Tisch verteilt lagen und im gesamten Raum eine Atmosphäre des Antiquarischen hervorriefen.
    Slatin unterließ es, Lukastik einen von den duellierenden Stühle anzubieten, stellte sich seinerseits hinter den Arbeitstisch, auf den er seine schmalen Finger pianistisch aufstützte, und erklärte, daß Dr. Paul ihn darum gebeten habe, der Polizei behilflich zu sein. Was er gerne tun würde. Die Polizei verdiene Unterstützung. Auch sei er Dr. Paul einiges schuldig. Allerdings müsse er vorausschicken, daß seine Fachkompetenz sich in Grenzen halte. Natürlich, er handle mit alten Radierungen und Lithographien, sei aber mehr ein Sammler als ein Händler und mitnichten ein Götterliebling unter den Experten.
    »Es geht nicht um Radierungen«, unterbrach Lukastik.
    »Nein?«
    »Es geht um Haie. Um einen bestimmten Hai«, sagte der Polizist und verteilte ein Dutzend Farbfotographien, von denen er eine jede aus einer Hülle zog, über die noch freie Fläche des Tisches. Slatin bemühte bloß seinen Kopf in Richtung der Abbildungen, schien es aber für überflüssig zu halten, gleich den ganzen Körper zu bewegen.
    Einige der Aufnahmen zeigten den Toten in der Totale, sowohl im Wasser des Bassins als auch auf der weißen Plane. Andere waren allein den Bißverletzungen und der blanken Öffnung eines abgetrennten Beines gewidmet. Gestochen scharf.
    Slatin schenkte den Fotos einen kurzen, emotionslosen Blick und fragte: »Was soll das?«
    »Diese Bilder wurden heute früh aufgenommen.«
    »In Australien?«
    »Nicht ganz. In einem Schwimmbecken auf dem Dach eines Wohnhauses. Hier in Wien.«
    »Und Sie möchten, daß ich das glaube«, sagte Slatin und machte ein Gesicht, als habe er einen schlechten Geschmack im Mund.
    »Ja, das müssen Sie wohl. Auch wenn es grotesk erscheinen mag. Aber der Tote wurde nun mal an diesem Ort, in diesem Pool aufgefunden.«
    »Wenn das so ist«, meinte Slatin, der jetzt doch einen Schritt näher getreten war, die Hände in den Hosentaschen, »hat sich jemand einen mehr als schlechten Scherz erlaubt.«
    »Ja. Und diese Person gab sich auch noch alle Mühe, die tödliche Attacke so authentisch wie möglich aussehen zu lassen.« Lukastik nahm die Hülse aus seiner Sakkotasche und reichte sie Slatin. »Dr. Paul hat diese Fragmente aus dem Körper des Toten gezogen. Zahnsplitter und Hautzähnchen. Es würde mich interessieren, was Sie dazu sagen.«
    »Ich würde Ihnen lieber meine Graphiksammlung zeigen«, äußerte Slatin.
    »Ich dachte, Sie schwärmen für Haie.«
    »Für Haie ja, nicht für schwachsinnige Inszenierungen.«
    »Trotzdem. Seien Sie so nett und sehen sich die Teile einmal an.«
    Slatin machte ein Geräusch, als zerbeiße er einen Wurm. Dann stellte er die Hülse ab, rieb sich die Hände an seiner Hose und öffnete mehrere Laden eines unter dem Tisch montierten Stahlschrankes, worin er seine graphischen Blätter verwahrte. Er hantierte mit der größten Sorgfalt. Nicht minder sorgfältig fuhr er mit einem weichen Tuch über die nun freie Fläche und legte ein weißes Blatt Papier auf, auf das er den Inhalt der Hülse leerte. Er klemmte sich eine kleine Lupe, die an ein kurzes Stück dunkler Wurst erinnerte, ins linke Auge und beugte sich über die Ansammlung der Fragmente. Hin und wieder hob er das Blatt an den Rändern an, wodurch sich eine neue Verteilung der Bruchstücke ergab. Es sah aus, als bediene er ein Spielzeug und versuche, die Gebilde in bestimmte Anordnungen zu manövrieren. Seine anfänglich so glatte Stirn zerbrach in Falten. Die Schweißtropfen standen jetzt dichter beieinander. Es war unangenehm warm im Zimmer. Die Hitze der letzten beiden Wochen staute sich dank verschlossener Fenster. Ohne zu fragen, machte Lukastik sich daran, eines zu öffnen.
    »Lassen Sie das!« herrschte Slatin ihn an, behielt sein Auge aber an der Lupe und seinen Blick an den zu untersuchenden Objekten.
    »Es ist heiß hier«, bemerkte der Chefinspektor.
    »Ich kann jetzt keinen Windzug gebrauchen«, erklärte Slatin. Auf dem Rücken seines Hemds zeichnete sich eine dunkle, feuchte Stelle ab, ein Rorschach-Test von Schweißfleck. Der aber nicht allein von der Wärme herrührte. Eine Fiebrigkeit hatte den Mann erfaßt. Dennoch schien er nicht kopflos, im Gegenteil. Sein Fieber entsprang einem Übermaß an Konzentration, welches seinen Kopf geradezu plombierte.
    Lukastik hätte gerne etwas eingewandt, schwieg aber und fuhr sich mit einem Tuch über die Stirn. Er trat von den Fenstern weg

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