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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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unwirklich an. Jeder ist verdächtig. Der Geständige dadurch, gestanden zu haben. Darf man ihm überhaupt glauben?«
    »Habt ihr denn einen verdächtigen Geständigen?«
    »Ja«, entfuhr es Lukastik. Das war eine Lüge, die ihm nun doch noch herausgerutscht war, eine Lüge, an der er festhielt. Er erzählte, ein älterer Mann würde darauf bestehen, seine beiden Rottweiler auf das Opfer gehetzt zu haben.
    »Klingt doch gut«, sagte die Schwester.
    »Der Mann behauptet«, dichtete Lukastik, »bei dem späteren Opfer habe es sich um eine hausfremde Person gehandelt, die er da mitten in der Nacht, bekleidet mit einer Badehose, auf dem Dach angetroffen und zur Rede gestellt habe. Es sei zu einer heftigen Debatte gekommen, zu beleidigenden Worten, und da habe er eben seine Tierchen gerufen.«
    »Und du glaubst ihm nicht?« zeigte sich die Schwester verwundert. »Menschen sterben für weit weniger als einen unbefugten Zutritt.«
    »Mag sein«, sagte Lukastik und wechselte nun zur sehr viel unglaubwürdigeren Wahrheit über, indem er darlegte: »Die Verletzungen unseres Toten stammen aber sicher nicht von zwei Rottweilern, sondern von einem Hai. Einem ausgewachsenen Exemplar von der Sorte Gemeiner Grundhai. So ein Ding, das drei Meter mißt.«
    »Was soll der Blödsinn?« erregte sich die Schwester. »Warum verarschst du mich?«
    Lukastik überlegte, daß man im schlimmsten Fall eine solche nachvollziehbare Hundegeschichte konstruieren müßte. Nicht, weil es seiner eigenen Art oder überhaupt der Art der Polizei entsprach, Ermittlungsergebnisse zu fälschen. Aber manche Wahrheit war eben unverkäuflich. Denn auch wenn hinter jedem Mysterium ein logischer Sachverhalt stand, das Mysterium also gar nicht vorlag, sondern eben nur scheinbar, so hieß das umgekehrt nicht, daß man diesen Sachverhalt auch lückenlos nachvollziehen konnte. In manchen Konstellationen verfing sich der Blick des Betrachters. So mußte man ja auch etwa in der Physik zu Hilfskonstruktionen und mitunter auch zu unverschämt-grandiosen Schwindeleien greifen, um gewisse Bodenlosigkeiten zu überbrücken oder auch nur über die Verfangenheit des Blickes hinwegzutäuschen.
    Hunde waren nun mal leichter zu begreifen als Haie. Zumindest solange es sich um einen Wiener Mordfall handelte.
    Aber noch gab es keinen Grund, zu resignieren. Lukastik hatte ja eben erst begonnen, seinen Blick durch das Geflecht des vermeintlichen Mysteriums zu schlängeln. Er fühlte die Klarheit, die in diesem Blick lag. Wenigstens den Willen zur Klarheit. Und mit Sternbach verfügte er ja auch über eine vielversprechende Spur. Eine Spur, die hoffentlich in den Ursprung dieser Geschichte münden würde.
    »Was für ein Unfug!« tönte die Schwester.
    »Ich kann nichts dafür«, meinte Lukastik, löffelte seinen zweiten Teller aus und genoß die Widerborstigkeit des Faktischen. »Der Mann wurde Opfer eines Haifischbisses. Oder sagen wir, mehrerer Bisse.«
    »Ach was. Und? Habt ihr den Hai schon gefaßt?«
    »Noch nicht. Wir suchen nach dem Tier. So einen Hai kann man kaum die Toilette hinunterspülen.«
    »Denk dir was Witzigeres aus«, empfahl die Schwester.
    »Ihr benehmt euch wie Vierzehnjährige«, sagte die Mutter und füllte ihr Glas und das ihrer Tochter. Alkoholismus wäre das falsche Wort gewesen, aber es waren die Frauen in dieser Familie, die sich der Linderung hingaben, welche aus einer leichten Betrunkenheit resultierte. Der Vater bezog seine Linderung aus der Herstellung von Suppen. Der Chefinspektor hingegen lebte ohne Linderung, wenn man von ein paar unausgelöschten Zigaretten absah. Obgleich er ab und zu ein Glas Wein trank, so tat er dies, ohne darin einen Trost zu erkennen.
    Lukastik erhob sich und sagte: »Ausgezeichnet, die Suppe.«
    Sein Vater, der noch immer beim ersten Teller saß, unterbrach kurz sein Essen, ließ den Löffel in der Luft stehen, blickte auf und sah sich suchend um. Endlich nahm er einen Salzstreuer, auch ein wenig Pfeffer, und würzte seine Suppe nach. Es mochte ein reiner Zufall sein, daß diese Verbesserung der Brühe so unmittelbar auf das Lob des Sohnes gefolgt war. Sehr wahrscheinlich hatte der Vater gar nicht realisiert, wer da gerade seine Suppe gewürdigt hatte. Er schien oft abwesend. Dennoch verspürte Lukastik einen kleinen, stechenden Schmerz. Er wandte sich um und verließ den Raum. Immerhin war er noch nicht so tief gesunken, sich bei seiner Mutter und Schwester abzumelden, bevor er nochmals aus dem Haus ging.
    Zunächst aber

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