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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Belangen. Der Lärm der Welt war ihm kein Brei.
    Es dauerte nicht lange, dann endete die Verbindung mit einem Geräusch, das bei Lukastik die unangenehme Assoziation eines Damenschuhabsatzes hervorrief, welcher durch eine Rippe bricht. Solche Gedankengänge hatten übrigens rein gar nichts mit dem Verhältnis zu seiner Schwester oder anderen Frauen zu tun. Es war die simple Faszination für hohe Absätze, die stets von einem gewissen Schaudern begleitet war.
    Augenblicklich versuchte Lukastik den Kontakt wiederherzustellen. Doch wie um seine Damenschuhphantasie zu vervollständigen, meldete sich die Stimme einer Frau und erklärte die derzeitige Unerreichbarkeit Herrn Jordans und daß der Anrufer nach einem Signalton die Möglichkeit habe  ….
    Die Stimme der Frau besaß bei aller Süßlichkeit einen leicht gereizten Ton, der etwas von einer persönlichen Attacke an sich hatte. Aber natürlich kam diese Stimme vom Band und die Gereiztheit richtete sich gegen einen jeden, der das Pech hatte, an dieser Stelle zu landen. Auch als Lukastik wenig später die Handynummer Edda Boehms anwählte, bestätigte dieselbe Stimme das Scheitern einer direkten Kontaktnahme. Das »Ehepaar«, wie Lukastik Frau Boehm und Herrn Jordan seit kurzem bei sich nannte, war untergetaucht. Oder untergetaucht worden. Und auf ein Band zu sprechen – als verspeise man nicht die Olive, sondern den Olivenkern, knirsch! – widerstrebte Lukastik.
    Er schaltete das Handy aus, wog es kurz in der Hand und steckte es zurück in die Innentasche seines Jacketts. Dann bestellte er entgegen seiner Gewohnheit ein zweites Glas Wein. Nicht, um sich zu besaufen. Keine Verwirrung schien ihm schwerwiegend genug, im Alkohol Zuflucht zu nehmen. Vielmehr bedeutete dieses Glas Wein eine Verschleppung der Zeit bis zur Sperrstunde hin, die in einer viertel Stunde erreicht sein würde. So lange konnte Lukastik sich überlegen, was er tun wollte. Und irgend etwas mußte nun mal getan werden.
    In erster Linie bot sich an, die Gendarmerie von Zwettl zu ersuchen, einen Wagen an besagter Tankstelle vorbeizuschikken und nach dem Rechten zu sehen. Denn zumindest mußte abgeklärt werden, ob das »Ehepaar« diesen Ort, eine Tankstelle namens Rolands Teich , je erreicht hatte. Und was sonst noch abzuklären war.
    Doch Lukastik entschied sich gegen diese Möglichkeit. Nicht, daß er ein städtisches Vorurteil gegen die ländliche Polizei hegte. Sein Vorurteil war weit umfassender und betraf eigentlich die gesamte Kollegenschaft, vor allem jene uniformierten Beamten, die – schlecht bezahlt – gewissermaßen die Manufaktur von Recht und Ordnung verkörperten. Die schlechte Bezahlung war nach Lukastiks Dafürhalten durchaus berechtigt. Er hielt diese Leute für Hilfsarbeiter, die im Verhältnis zu ihren bescheidenen Fähigkeiten eine geradezu unheimliche Machtfülle besaßen und im Rahmen ihrer Dienstvorschriften über einiges an Willkür verfügten. Er sah nicht ein, warum man sie zu noch größeren Frechheiten animieren sollte, indem man ihnen unnötig viel Geld nachschmiß. Allerdings muß gesagt werden, daß Lukastik im Unterschied zu seinem Vorgesetzten, dem Major, nicht von einem Ekel gegen alles Polizeiliche beseelt war. Natürlich war er das nicht. Anders als der Major, steckte er bis zu den Knien im Polizeilichen, watete im Polizeilichen, watete eigentlich gerne.
    Doch weil Lukastik nun mal der Gendarmerie von Zwettl nicht im geringsten vertraute, diesen ganzen Haufen für typische Fettnäpfchentreter hielt, und auch gar nicht bereit war, sogenannte Kollegen über den Auftrag Jordans und Boehms aufzuklären, beschloß er – und zwar genau in dem Moment, da er sein zweites Glas ausgetrunken hatte – sich selbst um den Verbleib seiner beiden Mitarbeiter zu kümmern.
    Somit tat er etwas, was er eigentlich ablehnte. Nicht nur, daß ein sofortiger Aufbruch Richtung Zwettl bedeutete, auf die ihm heilige Nachtruhe zu verzichten, wies sein ganzes Verhalten eine literarisch-cineastische Note auf. Eigentlich einen Mißklang, ein Ärgernis, welches darin bestand, nicht das Gewöhnliche, sondern das Ungewöhnliche zu tun. Sich also nicht wie ein wirklicher, sondern wie ein erfundener Kriminalist aufzuführen.
    Aber Lukastik blieb dabei. Vielleicht verspürte er auch bloß eine gewisse Lust am Reisen, an der Fahrt durch die Nacht, wie er dies schon lange nicht mehr unternommen hatte. Vielleicht war es die Ahnung einer seltenen Schlaflosigkeit, die es ihm ohnehin unmöglich machen

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