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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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bestätigen, nannte Lukastik jetzt seinen Namen und seine Funktion als Chefinspektor der Wiener Kriminalpolizei. Es widersprach seinem Wesen, eine solche Tatsache hintanzuhalten und Leute, verdächtig oder nicht, hereinlegen zu wollen. Undercoveraktionen empfand er als Anpassung an eine kriminelle Methodik. Das wäre gewesen, als hätte sich ein Schiedsrichter am Foulspiel der Akteure beteiligt. Als hätte er Beine gestellt.
    Die Frau schenkte ihm nun einen Blick, der nichts Feindseliges besaß, bloß über jene Wachheit verfügte, die dem Erscheinen eines Beamten angemessen war. Sie servierte den Kaffee mit der ruhigen Hand einer Schachspielerin, der es noch immer gelungen war, die richtigen Figuren zu opfern. Anschließend griff sie nach ihrer Zigarette, tat einen Zug, als verschlucke sie einen kleinen Gott oder zumindest einen kleinen Prinzen, legte sie wieder ab und erklärte, ihr Name sei Selma, Selma Beduzzi, sie sei die Pächterin der Tankstelle. Zusammen mit ihrem Mann.
    »Beduzzi?«
    »Die Vorfahren meines Mannes stammen aus Italien. Aber von denen ist uns allein der Name geblieben. Mit unserem Namen ist es wie mit einer Flasche Wein, die im Keller steht und schon zu alt ist, als daß man sich traut, sie aufzumachen.«
    »Sie meinen, weil der Wein zu wertvoll ist, um ihn zu trinken.«
    »Ich meine, weil er verdorben sein könnte.«
    Lukastik runzelte die Stirn, besann sich dann aber und meinte: »Guter Kaffee.«
    »Sie haben recht. Die Kaffeemaschine stammt auch aus Italien. Aber die stand schon hier, als wir eingezogen sind. – Also? Womit kann ich Ihnen dienen? Wenn man bedenkt, wie spät es ist und woher Sie kommen.«
    »Wien ist nicht die Mongolei«, stellte Lukastik fest, um das Relative der Entfernung zwischen den Städten Wien und Zwettl zu betonen. Aber Frau Beduzzi hatte natürlich recht. Zwischen den beiden Orten lag irgendwo eine Grenze, und zwar nicht jene offenkundige, die zwischen Stadt und Land behauptet wird, zwischen Provinz und Metropole, sondern viel eher eine, wie Wittgenstein sie beschreibt, wenn er meint, um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müßten wir beide Seiten dieser Grenze denken können, was – wie Wittgenstein in der Klammer beifügt – bedeuten würde, wir müßten denken können, was sich nicht denken läßt.
    So ist es auch mit der Grenze, die irgendwo zwischen Zwettl und Wien liegt. Im Grunde ist es unmöglich, auf der einen Seite stehend sich eine Vorstellung von der anderen zu machen. Man ist entweder da oder dort, gehört entweder dahin oder dorthin, und der Bereich jenseits der Grenze ist eigentlich stets undenkbar und nicht zu fassen.
    Lukastik erklärte, erwartet zu haben, zwei seiner Wiener Kollegen hier anzutreffen.
    Selma Beduzzi nahm ihre Zigarette wieder auf, tat einen letzten, beiläufigen Zug und drückte sie dann in einen gläsernen Aschenbecher. Gleichzeitig schüttelte sie den Kopf. Nur wenige Gäste hätten an diesem Abend hierhergefunden, und von einem jeden wäre sie in der Lage, den Namen zu nennen. Auch zwei Gendarmen seien darunter gewesen, aber eben mit Sicherheit keine Polizisten aus Wien.
    »Was wollten die Gendarmen?« erkundigte sich Lukastik.
    »Die sehen immer mal vorbei, wenn sie auf Streife sind. Legen eine kleine Pause ein.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    »Ich nehme an, Sie wollen wissen, ob heute etwas anders war als sonst. Nichts war anders. Zumindest, bis Sie zur Tür hereinkamen.«
    Lukastik ignorierte die Bemerkung und fragte: »Sie vermieten Zimmer?«
    Selma Beduzzis wachsamer Blick verengte sich wie unter dem Eindruck einer aufsteigenden Flamme. Sie spürte gewissermaßen das Fanal und gab eine vorsichtige Antwort: »Ja, ich vermiete Zimmer. Sie wollen doch nicht etwa hier übernachten?«
    »Wäre das ungehörig?« staunte Lukastik und warf einen fragenden Blick hinüber zu den drei Männern, als habe er soeben erkennen müssen, sich in einem Stundenhotel zu befinden.
    »Lassen Sie das bitte!« verlangte Frau Beduzzi, was auch immer sie damit sagen wollte. Jedenfalls erklärte sie, im äußersten Flügel des Gebäudes, jenem ruhigen, von einer Holzfassade eingebundenen Teil über sechs komfortable Gästezimmer zu verfügen, Doppelzimmer, die sie aber in der Regel als Einzelzimmer vermiete. Zumeist an Vertreter, eher selten an Durchreisende. Hin und wieder auch an Architekturstudenten.
    »Verständlich«, sagte Lukastik. »Bei einer solchen Tankstelle.«
    »Finden Sie?« verzog Selma Beduzzi ihr Gesicht, womit wohl gemeint war, daß

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