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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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ihn im Stich gelassen hatte, und dass all sein vieles Wissen nie der Angeberei diente, sondern immer bloß einer Art Schutz, einem Schutz, der viel stärker war als sein blauer Sturzhelm oder die Sonnenbrille zusammengenommen.
    Schlaue Menschen sind echt komische Leute.
    Auf der Straße, die zunehmend kurviger wurde, herrschte nur wenig Verkehr. Immer wieder spähte ich nach vorn, ob die Ellie den armen Porsche vielleicht nach hinten ließ, auf die Ablage des Mercedes. Ich wollte ihm heimlich zuwinken und Zeichen machen, dass er spätestens im Himmel ein Engel sein würde, den der liebe Gott für seine unmenschlichen Qualen mit Schoko-Hundedrops belohnte. Ich hatte mal welche probiert aus einer Probepackung bei Edeka, sie waren wirklich lecker gewesen. Aber Porsche tauchte nicht auf. Vermutlich hielt die blöde Ellie ihn auf dem Schoß fest und pitschte ihm immer mal wieder gemein gegen die Ohren.  
    Weiter und weiter ging es, an den unendlichen Maisfeldern vorbei. Inzwischen wunderte es mich überhaupt nicht mehr, dass die Feldhamster von hier abgehauen waren. Es kann kein schönes Leben sein, wenn man in so einem Körnergewühl zur Abwechslung nicht mal eine Karotte oder wenigstens ein paar Pommes frites oder andere Kartoffelprodukte findet. Ich atmete erleichtert auf, als wir endlich durch ein Dorf fuhren. Mit seinen zierlichen Häusern und Gärtchen glich es einer Modelleisenbahnlandschaft, doch dann lag der kleine Ort schon wieder hinter uns und neue meterhohe Hamsterfelder trieben mich weiter in den Wahnsinn. Es gab keine Abwechslung, außer man guckte in den Sommerhimmel, der sich soeben mit dunklen Wolken bezog. Ganz toll. Wenn es jetzt auch noch anfing zu regnen, würden wir wahrscheinlich alle hundert Meter in dieser Maispampa anhalten und mit einem Lappen die Windschutzscheibe wischen müssen, weil der blöde alte Golf garantiert keine automatischen Scheibenwischer besaß.
    Und dann gab auch noch der Boris plötzlich Gas, wie ich es befürchtet hatte. Eben war er noch vor uns zu sehen, dann war er weg. Es war fast wie in einem Zeichentrickfilm, wenn eine Katze abzischt wie eine Rakete, weil ihr Schwanz brennt. Vielleicht hatte er bemerkt, dass wir ihn verfolgten, oder er hatte einfach Lust auf Geschwindigkeit – jedenfalls verschwand der silberne Mercedes in null Komma nix um die nächste Kurve herum, von der wir noch etwa tausend Kilometer entfernt waren.
    Â»Drücken Sie auf die Tube!«, rief ich aufgeregt, aber Herr van Scherten, der schön gemütlich weitertuckerte, schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht euer und mein Leben riskieren, indem ich fahre wie der Henker. Dieser Kerl ist ja wohl nicht bei Verstand!«
    Â»Statistisch betrachtet passieren die meisten Verkehrsunfälle in den neuen Bundesländern«, warf Oskar ein.
    Ich guckte raus. Weit und breit war kein Unfall in Sicht. Eigentlich, wegen der dämlichen hohen Felder und der Kurven, gab es nicht mal ein richtiges Weit und Breit.
    NEUE BUNDESLÄNDER : Im Atlas Brandenburg und Thüringen, Sachsen zum Anhalten, Sachsen zum Durchfahren und Meck.-V.pomm. Es gibt noch mehr Bundesländer, aber die sind alt und sterben sicher bald aus. Es lohnt sich also kaum, die Namen zu lernen.
    Kurve reihte sich an Kurve, Maisfeld an Maisfeld. Immer wieder mal führten rumpelige Feldwege mitten hinein in diesen Dschungel aus trockengrauen Stauden voller gelber Körner. Vom silbernen Mercedes keine Spur mehr, er musste inzwischen Gott weiß was für einen Vorsprung haben. Minuten vertickten zu einer Viertelstunde. Auf der Glatze von Herrn van Scherten sammelten sich winzige Schweißtröpfchen und Oskar ballte die Fäuste. Es war klar, dass wir unser Ziel verloren hatten.
    Und dann, wie durch ein Wunder oder wie durch eine Dampfwalze, war hinter einer lang gezogenen Kurve die Landschaft plötzlich auf Kilometer flach und überschaubar. Alles Mögliche war zu sehen – Felder mit wogendem Getreide, Wiesen mit jeder Menge braunen Kühen und wolligen weißen Schafen drauf, knorrige alte Obstbäume und zwischen allem hindurch die Straße als geschlängeltes Band.
    Alles, bloß kein Mercedes.
    Â»Verdammt!«, fluchte Herr van Scherten. »Die müssen unterwegs in einen der vielen Feldwege abgebogen sein!«
    Â»Sollen wir die jetzt etwa alle abklappern?«, sagte ich.
    Â»Nicht nötig, da kommt ein Hochstand.« Herr van Scherten

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