Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
Ich zog meinen Rock und ein T-Shirt an und war unendlich dankbar, dass ich, als ich die Tasche vor ein paar Tagen für den Club gepackt hatte, frische Unterwäsche hineingeworfen hatte. Als ich angezogen war, schlenderte ich durch einen breiten Flur und ein schattiges Wohnzimmer, bis ich mich in der Küche wiederfand, die größer als meine gesamte Wohnung war. Durch die Fenster konnte man Lichter der Häuser sehen, die auf der Landzunge unter uns lagen. In der Ferne brachen sich weiße Schaumkronen an einer Küste, die ich nicht ausmachen konnte.
Liander saß an einem verschnörkelten Glastisch und las die Zeitung. Als ich hereintrat, blickte er zu mir hoch. Sein linkes Auge war blau, und seine blassen Arme waren von Schrammen übersät.
Er sah mich forschend an und blieb an meiner heilenden Wunde am Oberschenkel hängen. Es war kein erotischer Blick, sondern ein besorgter. »Fühlst du dich besser?« »Viel besser. Und wie geht es dir?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, mein Ego hat mehr Schrammen abbekommen als mein Körper. Sie waren nur zu viert, aber sie haben mich fast fertiggemacht.«
»Nur zu viert? Mann, du lässt aber wirklich nach«, sagte ich spöttisch. Er lächelte. »Früher hätte ich doppelt so viele geschafft.« »Deine Militärzeit ist lange her.« »Das spielt keine Rolle. Ich halte mich schließlich fit.« »Ja, aber nicht für Kämpfe. Dazu hattest du schließlich keinen Grund.« »Das stimmt.«
Ich ging hinüber zum Kühlschrank, um mir etwas zu essen zu holen, doch abgesehen von verschrumpeltem Obst war dort nichts zu finden. Talon hatte offenbar nicht vorgehabt, lange hier zu bleiben. Ich nahm einen der besser aussehenden Pfirsiche. »Wo ist Quinn?« Liander deutete mit dem Kopf auf die Glastüren zu meiner Rechten. »Draußen auf der Terrasse. Er telefoniert mit jemandem, um noch ein paar Informationen über Misha zu bekommen.« Er zögerte und wirkte angespannt. »Weißt du, dass er uns alle nur benutzt?«
»Ja. Ihn interessiert nur, was mit seinem Freund passiert ist.« »War sein Freund der DNA-Spender für diese Klone?« Ich nickte und biss in den Pfirsich. »Ich nehme an, Rhoan hat dir erzählt, was passiert ist?« Liander sah mir direkt in die Augen. »Wir haben keine Geheimnisse voreinander, Riley.«
Ich erinnerte mich daran, was er zu Quinn gesagt hatte, als ich im Blutrausch gewesen war, und mir wurde klar, dass er wusste, was wir waren. Er wusste es, weil Rhoan es ihm erzählt hatte. Es war wunderschön, dass mein Bruder jemanden gefunden hatte, der ihn so liebte, wie er war. Ich bezweifelte allerdings, dass Rhoan das voll und ganz zu schätzen wusste.
Liander legte die Zeitung zusammen und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Rhoan hat mir auch von Quinns Erfahrungen mit Werwölfen erzählt. Sei vorsichtig mit ihm.« Ich wischte mir den Pfirsichsaft vom Kinn. »Erst mein Bruder, jetzt der Liebhaber von meinem Bruder«, sagte ich mit leichter Verzweiflung in der Stimme. »Gesteht ihr mir vielleicht beide ein bisschen Vernunft zu?«
Er lächelte, sah mich jedoch weiterhin besorgt aus seinen silberfarbenen Augen an. »Grundsätzlich bist du eine der vernünftigsten Personen, die ich kenne, aber bei Gefühlen setzt die Vernunft in der Regel aus.«
»Ich kenne Quinn noch nicht lange genug, um Gefühle für ihn zu entwickeln. Momentan ist er einfach nur ein Liebhaber.« Ein Liebhaber, an den ich mich binden könnte, wenn er mir jemals die Zeit dazu ließe. Aber das würde er nicht tun, also wieso machten sich alle Sorgen? »Waren die Männer, die Talon zu Hilfe gekommen sind, Menschen?«
Er schüttelte den Kopf, und sein Lächeln verriet mir, dass er sich von dem Themenwechsel nicht täuschen ließ. »Wölfe.« »Und ihr Geruch?« Er zuckte mit den Schultern. »Wie Wölfe. Männer.«
Dann waren es keine Klone oder Laborwesen. Das war wahrscheinlich ein gutes Zeichen. Offenbar war er nur ein ganz normaler Irrer und nicht von der größenwahnsinnigen Sorte à la ›Ich will die Welt regieren‹.
»Ist Jack über alles informiert?« »Ja.« Er sah auf seine Uhr. »Sie müssten gleich hier sein.« Ich hob eine Braue. »Ist das schlau? Ich meine, diese Typen finden uns immer wieder, also sollten wir uns vielleicht lieber aufteilen.« Obwohl sie uns wegen meines Peilsenders sowieso ständig orten konnten. Denn Talon hatte ihn zwar eingesetzt, was aber nicht hieß, dass nicht noch irgendjemand anders auf das Signal gestoßen war.
»Wahrscheinlich, aber ich bestimme
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