Ringwelt 06: Flatlander
lehnte sich zurück und ignorierte das Essen vor sich auf dem Tisch. »Mister Jennisons Bräune war am ganzen Körper gleichmäßig, mit Ausnahme der charakteristischen tiefschwarzen Tönung des Gesichts. Ich nehme an, im Belt war er praktizierender Nudist?«
»Jepp. Wir benötigen im Belt keine Genehmigung. Er wäre auch hier auf der Erde Nudist gewesen, außer natürlich, er mußte irgendetwas verbergen. Erinnern Sie sich an seine Narbe? Er hat nie eine Gelegenheit ausgelassen, sie allen zu zeigen.«
»Konnte er sich denn tatsächlich als …« Ordaz zögerte. »… Flatlander ausgeben?«
»Mit dieser Belterbräune? Unter keinen Umständen. Er hat ein wenig übertrieben mit seinem Haarschnitt. Vielleicht dachte er, Loren würde ihn unterschätzen. Andererseits hat er nicht vorgehabt zu bleiben, sonst hätte er nicht seine gesamten Besitztümer zurückgelassen.«
»Also hat er sich mit Organpaschern abgegeben, und sie sind ihm auf die Schliche gekommen, bevor er Sie unterrichten konnte. Ja, Mister Hamilton, ein guter Gedanke, wirklich. Nur, daß es nicht so gewesen sein kann.«
»Aha? Warum nicht? Ich versuche nicht zu beweisen, daß es ein Mord war. Noch nicht. Ich versuche lediglich, Ihnen zu zeigen, daß Mord mindestens genauso in Frage kommt wie Selbstmord.«
»Aber es war kein Mord, Mister Hamilton.«
Ich blickte ihn fragend an.
»Betrachten Sie die Einzelheiten eines hypothetischen Mords. Owen Jennison wird zweifelsohne unter Drogen gesetzt und in die Praxis von Kenneth Graham geschleppt. Dort setzt man ihm einen Ekstasestecker ein.
Ein Standardmodell, das amateurhaft mit einem Lötkolben manipuliert wurde. Wie wir sehen, muß der Mörder eine minutiöse Aufmerksamkeit auf jedes noch so kleine Detail gerichtet haben. Das gleiche gilt für die gefälschte Einwilligung zur Operation, die sich in Graham Kenneths Akten findet. Die Papiere sind über jeden Zweifel erhaben.
Anschließend wird Owen Jennison zurück in sein Appartement gebracht. Es ist doch sein eigenes, oder? Schließlich würde es keinen Sinn ergeben, ihn in ein anderes zu bringen. Das Kabel seines Ekstasesteckers wird verkürzt, erneut auf amateurhafte Weise. Mister Jennison wird gefesselt …«
»Ich habe mich bereits gefragt, ob Ihnen das aufgefallen ist.«
»Warum sollte man ihn nicht fesseln? Also, er wird gefesselt, und dann wartet man, bis er aufgewacht ist. Vielleicht erklären die Täter ihm den Plan, vielleicht auch nicht. Das liegt ganz an ihnen. Anschließend verbindet der Mörder Owen Jennisons Ekstasestecker mit dem Stromnetz, und zum ersten Mal in seinem Leben erfährt Owen Jennison das absolut reine Vergnügen.
Man läßt ihn, sagen wir, noch drei Stunden gefesselt. Schon nach den ersten paar Minuten ist er hoffnungslos süchtig, schätze ich …«
»Sie verfügen sicherlich über mehr Erfahrung mit Stromsüchtigen als ich.«
»Trotzdem möchte ich mich nicht vorschnell festlegen. Ein gewöhnlicher Stromsüchtiger ist nach wenigen Minuten abhängig … andererseits bittet ein gewöhnlicher Stromsüchtiger ja auch darum, abhängig gemacht zu werden. Er weiß im Voraus, was aus seinem Leben wird. Stromsucht ist ein Symptom tiefster Verzweiflung. Ihr Freund wäre möglicherweise sogar imstande gewesen, die ersten paar Minuten zu überstehen, ohne süchtig zu werden.«
»Also haben sie ihn drei Stunden lang gefesselt. Dann wurden die Fesseln durchtrennt.« Mir war schlecht. Ordaz widerliche Vorstellungskraft stand meiner in keiner Weise nach. Genau so hatte ich mir Owens Tod gedacht.
»Nicht länger als drei Stunden, unserer Hypothese zufolge. Sie hätten nicht riskiert, sich länger als ein paar Stunden in seinem Appartement aufzuhalten. Sie schnitten also die Fesseln durch und überließen Owen Jennison einem langsamen Hungertod. Nach einem Monat wären die Spuren des Betäubungsmittels verschwunden, genau wie die Abschürfungen durch die Fesseln, die Schwellungen an seinem Kopf, die Einstiche der Narkosespritzen und dergleichen. Ein sehr sorgfältig ausgearbeiteter, detaillierter Plan. Sind Sie meiner Meinung?«
Ich redete mir ein, daß Ordaz nicht mit Absicht makaber war. Er tat seine Arbeit, weiter nichts. Trotzdem fiel es mir schwer, eine objektive Antwort zu geben. »Es paßt jedenfalls zu unserem Bild von Loren. Er geht sehr vorsichtig zu Werke, und er ist geradezu besessen von detaillierten, wohldurchdachten Plänen.«
Ordaz beugte sich vor. »Aber verstehen Sie denn nicht? Ein sorgfältig ausgearbeiteter Plan
Weitere Kostenlose Bücher