Ringwelt 06: Flatlander
Einrichtung zeigte sich nur in Form von Umrissen an der Decke. Die Aussicht aus dem Panoramafenster war atemberaubend. Pauline Urthiel lebte in der Nähe der Spitze von Lindtstetters Nadel, mehr als dreihundert Stockwerke über ihrem Ehemann.
Sie war groß und schlank. Aber hätte ein Mann ihr Gesicht besessen, so wäre dies kaum aufgefallen. Für eine Frau war es einen Hauch zu maskulin. Die wohlgeformten Brüste waren entweder aus Fleisch und Blut oder aus Silikon, doch chirurgisch implantiert waren sie in jedem Fall.
Sie bereitete sich einen großen Drink zu und gesellte sich anschließend zu uns auf die Couch. Die Befragung konnte beginnen.
»Haben Sie eine Idee, wer Raymond Sinclair den Tod wünschen könnte?« fragte ich.
»Nein. Nicht wirklich. Wie ist er gestorben?«
»Irgendjemand hat ihm mit einem Schürhaken den Schädel eingeschlagen«, sagte Valpredo. Wenn er nichts von dem Generator erwähnte, dann würde ich es ebenfalls unterlassen.
»Wie drollig«, sagte sie. Ihre Stimme besaß einen beißenden Tonfall. »Ich nehme an, es war sein eigener Schürhaken, aus seinem Kaminbesteck? Sie suchen allem Anschein nach jemanden, der die Tradition liebt.« Sie musterte uns über den Rand ihres Glases hinweg. Sie hatte große Augen, und ihre Lider waren mit semipermanenten Tätowierungen verziert, die flatternde Fahnen zeigten. Das Emblem der Vereinten Nationen. »Aber das hilft Ihnen nicht sonderlich weiter, oder? Vielleicht sollten Sie es bei den Leuten versuchen, die mit ihm an seinem letzten Projekt gearbeitet haben, was auch immer das gewesen sein mag.«
Genau das gleiche hat Peterfi auch vorgeschlagen, dachte ich. Valpredo fragte: »Ist es denn notwendigerweise so, daß Sinclair einen Mitarbeiter beschäftigt?«
»Zu Anfang arbeitet Ray prinzipiell alleine. Irgendwann im Verlauf seiner Forschungen sucht er sich dann Leute, die für ihn die praktischen Experimente durchführen. Er hat in seinem ganzen Leben noch nie etwas selbst gebaut; seine Ideen existierten stets nur als Computersimulationen. Er war auf die Hilfe anderer angewiesen, um die Projekte zu verwirklichen. Und trotzdem hat er den Ruhm immer für sich ganz allein beansprucht.«
Dann hatte Sinclairs hypothetischer Mitarbeiter vielleicht herausgefunden, wie wenig Anerkennung er für seine Arbeit erhielt, und … Pauline Urthiel schüttelte den Kopf. »Ich rede von einem Psychopathen, meine Herren. Ray hat niemanden wirklich betrogen. Er hat niemals einem seiner Mitarbeiter angeboten, daß er an seinem Ruhm teilhaben dürfte. Er sorgte von Anfang an dafür, daß daran kein Zweifel bestand. Ich wußte, woran ich war, als ich für ihn den FyreStop-Prototypen konstruierte, und ich wußte auch, was ich tat, als ich bei ihm aufhörte. Es war Raymonds Leistung, nicht die meine. Er benutzte meine Ausbildung, aber nicht mein Gehirn. Ich wollte etwas Neues schaffen, das ganz allein von mir kam.«
»Haben Sie eine Vorstellung, woran Sinclair zuletzt gearbeitet hatte?« fragte Valpredo.
»Mein Mann müßte es wissen. Larry Icks. Er wohnt in diesem Gebäude. Er hat mehr oder weniger geheimnisvolle Andeutungen gemacht, aber als ich nach Einzelheiten fragte – grinste er nur und schwieg …« Plötzlich mußte sie selbst grinsen. »Sie merken schon, ich bin interessiert. Aber Larry wollte nichts sagen.«
Zeit, daß ich die Unterhaltung in die Hand nahm, sonst würden wir niemals Gelegenheit erhalten, gewisse Fragen zu stellen. »Ich bin ein Agent der ARM«, sagte ich, »und was ich Ihnen nun mitteile, ist streng geheim.« Ich erzählte ihr, was wir bis jetzt über Sinclairs Generator herausgefunden hatten. Möglich, daß Valpredo mir den einen oder anderen mißbilligenden Blick zuwarf, doch das war mir egal.
»Wir wissen, daß das erzeugte Feld einen menschlichen Arm innerhalb weniger Sekunden schwer verletzen kann. Wir wollen herausfinden, ob der Mörder jetzt mit einem halb verfaulten Arm – oder möglicherweise auch einem Bein – durch die Gegend …«
Sie stand unvermittelt auf und zog ihr Oberteil bis zum Bauchnabel herunter.
Pauline Urthiel sah sehr weiblich aus. Hätte ich es nicht gewußt – aber was für eine Rolle spielte das schon? Heutzutage war die Kunst der Geschlechtsumwandlung perfektioniert. Zur Hölle; ich war schließlich im Dienst. Valpredo blickte gelassen drein. Er wartete darauf, daß ich aktiv wurde.
Ich untersuchte ihre beiden Arme mit den Augen und meinen drei Händen. Nichts. Nicht einmal eine Narbe.
»Meine Beine
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