Ringwelt 06: Flatlander
ein.
Ich trat von der Leiter hinunter.
Es war, als würde ich über einen immer klebrigeren Boden laufen. Als ich die unterste Stelle erreicht hatte, konnte ich den Schalter eben noch berühren.
Meine Schuhe klebten unverrückbar fest. Es gelang mir, die Füße herauszuziehen, doch wo sollte ich nun stehen außer auf meinen eigenen Schuhen? Wenig später steckten meine Füße ebenfalls fest. Ich konnte einen davon befreien, sank jedoch mit dem anderen noch tiefer in die Grenzfläche ein. Sämtliches Gefühl wich aus meiner Fußsohle. Es war ein schauriges Gefühl, obwohl ich wußte, daß nichts Schlimmes dabei passieren konnte. Meine Füße konnten dort draußen nicht absterben; dazu hatten sie gar keine Zeit.
Zwischenzeitlich war ich bis zu den Knöcheln in die Grenzfläche eingesunken, und ich fragte mich, wie groß die Geschwindigkeit sein mochte, die sie dort draußen aufzubauen begannen. Ich legte den Schalter um. Ringsum blitzte helles Licht auf, und ich prallte hart mit den Fußsohlen auf den Boden.
»Nun?« erkundigte sich Bera. »Hast du etwas Neues herausgefunden?«
»Jepp. Allerdings möchte ich nicht unbedingt ausprobieren, ob ich recht habe. Die Maschine könnte Schaden nehmen.«
»Und an was hast du gedacht?«
»Sie bei eingeschaltetem Feld vierzig Fuß rief fallen zu lassen. Keine Sorge, ich mach’s nicht.«
»Richtig. Du machst es nicht.«
»Dieser Zeitkompressionseffekt könnte sich auch für andere Dinge außer Raumschiffe als nützlich erweisen. Stell dir vor, wie du innerhalb weniger Minuten Vieh aus befruchteten Eiern heranziehen könntest, nachdem du auf einer Koloniewelt angekommen bist.«
»Hmmm … ja.« Das glückselige Grinsen, seine blitzenden weißen Zähne, der entrückte Blick in Beras Augen … Er spielte gerne mit Ideen. »Stell dir so ein Ding auf einem Geländewagen vor, auf Jinx meinetwegen. Du könntest die gesamte Küstenregion erkunden, ohne dir jemals Gedanken machen zu müssen, daß Bandersnatcher angreifen. Sie wären einfach nicht schnell genug. Du könntest über jede beliebige fremde Welt fahren und die gesamte Ökologie studieren, und nichts würde eine Chance haben, sich vor dir zu verstecken. Raubtiere mitten im Sprung, Vögel im Flug, Pärchen bei der Paarung …«
»Oder ganze Gruppen …«
»Ich … ich glaube, diese Angewohnheit findet man nur bei Menschen.« Er blickte mich von der Seite her an. »Du würdest doch niemanden dabei beobachten wollen, oder? Oder sollte ich diese Frage nicht stellen?«
»Dieses Verhältnis von fünfhundert zu eins – ist es konstant?«
Bera kehrte ins Hier und Jetzt zurück. »Das wissen wir nicht. Unsere Theorien sind noch nicht soweit vorgedrungen, daß wir die Maschine verstehen. Ich wünschte verdammt noch eins, wir hätten Sinclairs Laborjournal.«
»Ihr solltet doch einen Programmierer in sein Appartement schicken?«
»Er ist längst zurück«, entgegnete Bera gehässig. »Clayton Wolfe. Clay sagt, die Daten in Sinclairs Rechner seien allesamt gelöscht gewesen, bevor Clay sich an die Arbeit machen konnte. Ich weiß nicht, ob ich ihm glauben soll oder nicht. Sinclair war schon immer ein geheimnistuerischer Bastard.«
»Ja. Clay mußte vielleicht nur eine falsche Taste drücken, und der Computer hat selbst alles gelöscht. Aber er sagt, es sei anders gewesen?«
»Er sagt, die Datenspeicher seien leer gewesen. Wie ein neugeborener Verstand, der bereit ist, Wissen aufzunehmen. Gil, ist das überhaupt möglich? Könnte nicht Sinclairs Mörder die Daten gelöscht haben?«
»Sicher. Warum nicht? Das einzige, was er nicht getan haben kann, ist hinterher unerkannt fliehen.« Ich erzählte Bera ein wenig von unserem Problem. »Und es kommt noch schlimmer, weil, wie Ordaz immer wieder sagt, der Mörder wahrscheinlich glaubte, er könne mit der Maschine entkommen. Ich dachte mir, daß er vielleicht geplant haben könnte, den Generator auf das Dach zu transportieren, ihn über die Brüstung zu schieben, sich in die Reichweite des Feldes zu begeben und die Maschine dann einzuschalten, um damit gemütlich nach unten zu schweben. Doch das hätte nicht funktioniert. Nicht, wenn er fünfhundert Mal so schnell gefallen wäre wie normal. Er wäre ohne Zweifel ums Leben gekommen.«
»Also hat es ihm das Leben gerettet, daß er die Maschine zurücklassen mußte?«
»Aber wie zur Hölle ist er dann geflohen?«
Bera lachte, als er meine Enttäuschung bemerkte. »Könnte nicht seine Nichte den Mord begangen
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