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Ringwelt 09: Ein Geschenk der Erde

Ringwelt 09: Ein Geschenk der Erde

Titel: Ringwelt 09: Ein Geschenk der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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sie allein in einem Raum sein können, in einem Raum mit nachgebenden Wänden und unnachgiebigen Ellbogen, einem Raum so klein und intim wie eine Telefonzelle.
    »Ich glaube, Jay hat wirklich eine Macke, was diese Psikräfte betrifft«, sagte Polly. Sie hatte Matts Frage nicht beantwortet, was ihm jedoch nicht sonderlich viel ausmachte. Er hatte gehofft, der Debatte, die Hood entfacht hatte, unbemerkt zu entkommen, und was das betraf, hatte er Glück gehabt; aber daß Polly sich zu ihm gesellt hatte, war eine neue Erfahrung für ihn, und er genoß es, darüber zu spekulieren, warum sie es getan hatte.
    »Redet er die ganze Zeit so’n Zeug?«
    »Ja. Er glaubt, wenn wir nur …« Sie hielt inne. Ein Mädchen mit einem Geheimnis. »Vergiß Jay. Erzähl mir von dir.«
    Also erzählte er ihr von den Minenwürmern, seinem Leben und von der Schule in Sektor Neun, Gamma-Plateau; und er erwähnte auch Onkel Matt, der als Rebell gestorben war, doch sie ignorierte den Köder. Polly erzählte, wie sie gut hundert Kilometer von Kanes Haus entfernt in der Nähe der Kolonialuniversität aufgewachsen war, und sie beschrieb ihren Job in der Delta-Umspannstation; ihr Hörgerät erwähnte sie mit keinem Wort.
    »Du scheinst ein Mädchen mit einem Geheimnis zu sein«, bemerkte Matt. »Ich nehme an, das ist auch der Grund für das Lächeln.«
    Sie schob sich näher an ihn heran – sehr nahe – und senkte die Stimme. »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
    Matt lächelte schief, um anzuzeigen, daß er wußte, was nun kam. Sie sagte es trotzdem: »Ich kann es auch.«
    Und das war alles. Doch sie rückte nicht wieder von ihm ab. Sie lächelten einander an, Nase an Nase, und für den Augenblick waren sie mit Schweigen zufrieden. Polly war wunderbar. Ihr Gesicht war gefährlich verlockend; ihr schlanker, weiblicher Körper in dem weiten grünen Trägerkleid bewegte sich mit der Eleganz einer Tänzerin. Flüchtig blickte Matt ihr in die Augen und fühlte sich sehr gut dabei. Der Augenblick verging, und sie sprachen wieder über dies und das.
    Der Strom der dicht gedrängten Partygäste spülte sie durch den halben Raum. Einmal drängten sie sich an die Bar, um Nachschub zu holen; dann ließen sie sich wieder von der Menge davontragen. Das ständige Raunen hatte etwas Hypnotisches an sich. Das erklärte vielleicht auch, warum solche Trinkgelage in drangvoller Enge seit über einem halben Jahrtausend praktiziert wurden; monotone Hintergrundgeräusche waren schon immer ein Hilfsmittel der Hypnose gewesen. Die Zeit hörte auf zu existieren. Doch dann kam der Moment, in dem Matt plötzlich wußte, daß er Polly bitten würde, mit ihm nach Hause zu gehen, und daß sie einwilligen würde.
    Er bekam jedoch nicht die Gelegenheit dazu.
    In Pollys Gesicht veränderte sich irgendetwas. Sie schien auf etwas zu lauschen, das nur sie hören konnte. Das Hörgerät? Matt war bereit, so zu tun, als hätte er es nicht bemerkt, doch auch dazu bekam er keine Gelegenheit. Denn plötzlich ging Polly weg und verschwand in der Menge. Nicht daß sie sich sonderlich beeilt hätte; es war mehr, als erinnere sie sich plötzlich an etwas, das sie tun sollte, an ein winziges, belangloses, aber nagendes Detail, das sie genauso gut jetzt erledigen konnte. Matt versuchte, ihr zu folgen, doch die Menschenmasse schloß sich sofort hinter ihr.
    Das Hörgerät, dachte er. Es hat sie gerufen. Er blieb an der Bar und unterdrückte das Verlangen, ebenfalls zu gehen. Inzwischen war er gut angetrunken und froh darüber. Er glaubte nicht daran, daß es das Hörgerät gewesen war; dafür war ihm das Ganze zu vertraut. Schon viel zu viele Mädchen hatten ebenso plötzlich das Interesse an ihm verloren wie Polly. Er war mehr als nur enttäuscht. Er war verletzt. Der Wodka half ihm, den Schmerz abzutöten.
    Gegen halb elf ging er auf die andere Seite der Bar. Der Teenager, der noch immer den Barkeeper spielte, war vollkommen betrunken und froh, seinen Job abgeben zu können. Matt war zwar ebenfalls bei weitem nicht mehr der Nüchternste, doch servierte er die Drinks höflich und würdevoll, ohne dabei kriecherisch zu wirken. Die Reihen der Gäste lichteten sich. Für den Großteil von Mount Lookitthat war jetzt Schlafenszeit. In den meisten Siedlungen wurden jetzt die Bürgersteige hochgeklappt und bis zum Morgengrauen verstaut. Diese Revolutionäre mußten eine Bande von Spätaufstehern sein. Mechanisch schenkte Matt weiter Drinks aus; er selbst trank jedoch nichts

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