Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
beeindrucken. »Künstliche Schwerkraft, auf einen einzigen Raum beschränkt, führt doch nur zu minimalen Streufeldern. Bitte entschuldigen Sie meine Neugier, Baedeker. Warum ist die Produktion Schwerkraftveränderungen gegenüber so anfällig?«
Halt die Klappe, Eric! Diese Fahrt hier war vielleicht ihre einzige Chance, die lange verlorene Geschichte ihres eigenen Volkes zu erkunden. Wenn sie jetzt exzessive Neugier an den Tag legten, konnten sie vielleicht genau diese Gelegenheit vertun. Kirsten musste das Thema wechseln. Sie nutzte einen am Boden festgenieteten Tisch als Hebel, änderte ihre Lage im Raum und stieß sich auf den Liegen-Prototyp zu. »Ich bin dran.«
Eric zog seine Stirn in Falten, doch er verstand, was seine Kollegin ihm mitteilen wollte. Es gelang ihm tatsächlich, während einer ganzen Präsentation, in der es um neue Sensoren ging, völlig still zu bleiben. Dann fragte er: »Wann werden wir zuschauen können, wie die Zellen hergestellt werden?«
»Das habt ihr doch schon gesehen«, gab Nessus zurück.
»Ich meine genauer, Nessus. Aus der Nähe.«
»Das ist nicht gestattet«, antwortete Baedeker. »In diesem Bereich unserer Anlage herrscht ein kontrolliertes Vakuum.«
»Dann lege ich meinen Schutzanzug an. Der befindet sich an Bord …«
Mit beiden Köpfen schwankte Baedeker hin und her. Kirsten hatte diese Geste bislang nur selten gesehen, doch sie wusste, dass sie heftigen Widerspruch anzeigte. Eric musste sofort aufhören! »Es ist nicht gestattet!«, beharrte Baedeker. »Spuren von Gasen und Staub, die an deinem Schutzanzug haften, würden den Prozess kontaminieren.«
»Das verstehe ich nicht«, ergriff nun Omar das Wort. »Nessus, Sie haben uns gesagt, nur große Mengen Antimaterie könnten den Rumpf der Explorer beschädigen. Wie kann denn dann eine minimale Menge Staub irgendwelche Schäden anrichten?«
»Was ich euch gesagt habe, war absolut korrekt«, erwiderte Nessus. »Ich habe von vollständigen Zellen gesprochen. Während ihrer Konstruktion sind sie äußerst empfindlich.«
Eric wollte es einfach nicht dabei bewenden lassen! »Äußerste Empfindlichkeit gegenüber Gravitationsschwankungen. Äußerste Empfindlichkeit gegenüber Verunreinigungen, auch in Spuren. Das klingt ja wie Nanotechnologie in großem Maßstab.«
Baedeker stieß einen Laut aus, der wie eine extrem verlangsamte Boilerexplosion klang. Übersetzen ließ sich dieses Heulen nicht. Nessus reagierte ganz ähnlich, doch lauter und länger, bis Baedeker unterwürfig die Köpfe senkte.
»Die General Products Corporation gibt diese Information allgemein nicht preis«, erklärte Nessus. »Aber angesichts dessen, was ihr bereits wisst, wäre es wohl das Beste, wenn ihr auch noch den Rest hören würdet. Es wäre sehr bedauerlich, wenn ihr das Gefühl hättet, an eurem Schiff zweifeln zu müssen.
Der Rumpf der Explorer ist so gut wie unzerstörbar. Wäre er das nicht, wäre ich dann wohl jemals an Bord gegangen? Dennoch gibt es etwas, von dem ich bislang noch nichts erzählt habe. Der Rumpf ist aus einem bestimmten Grund so stabil: Eine GP-Zelle stellt ein einziges Supermolekül dar, das nanotechnisch Atom für Atom zusammengesetzt wird. Während der Konstruktionsphase ist die noch unvollständige Zelle sehr wohl instabil. Die kleinste chemische Verunreinigung oder das kleinste Kräfteungleichgewicht könnte sie in Stücke reißen. Deswegen gibt es hier keinerlei künstliche Schwerkraft, und deswegen findet jegliche Kommunikation hier ausschließlich über Glasfaserkabel statt.«
Kirsten musste schlucken. Ebenso, wie man sich darauf verlassen konnte, dass jeden Tag die Sonnen aufgingen, besuchten hunderte von Getreidefrachtern jeden Tag NSW 4. Jeder einzelne sah aus wie eine riesige Seifenblase, eintausend Fuß im Durchmesser, und jeder war Atom für Atom zusammengesetzt worden! Wie war etwas Derartiges möglich? »Baedeker, gibt es deswegen auch nur vier verschiedene Zellmodelle, die jeweils in genau gleicher Größe hergestellt werden? Weil das besonders starke Molekularkonfigurationen sind?« Im Hinterkopf schwirrte Kirsten immer noch diese geometrische Besonderheit, dass es nur fünf regelmäßige Polyeder geben konnte, herum.
Eric achtete überhaupt nicht darauf, dass Baedeker mit beiden Köpfen heftig nickte. »Das glaube ich nicht, Kirsten. Die Formen der einzelnen Zellmodelle sind zwar standardisiert, aber bei den Details unterscheiden sie sich eben doch. Denk doch nur an Anzahl und Positionierung der
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