Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
er mochte es einfach. Es war eine der wenigen Freuden, die ihm an Bord der Aegis überhaupt zur Verfügung standen.
Eine andere dieser Freuden war das überlebensgroße Holo, mit dem Nessus sich die Brücke teilte. Er hatte das Bild während einer der ersten Experimentalisten-Kundgebungen aufgenommen, an denen er teilgenommen hatte. Vielleicht hatte Nike ja beabsichtigt, seinen schmachtenden Blick der ganzen Versammlung gelten zu lassen, doch Nessus zog es vor, es sich anders vorzustellen.
Doch zunächst hatte er eine Mission zu erfüllen.
Selbst Jahre, nachdem alle Puppenspieler fort waren, jagte Ausfaller in seiner Paranoia immer noch nach ihnen. Das hatte Nike von einem seiner an einflussreichster Stelle eingesetzten Spione erfahren. Doch wo suchte die ARM nach ihnen? Und warum?
Denk genauso misstrauisch wie Ausfaller, herrschte sich Nessus innerlich an. Versetz dich ganz in seine Lage.
Die Technologie von General Products war für die Wirtschaft der Menschen und ihrer Nachbarn unentbehrlich geworden – und dann war sie einfach verschwunden und hatte die gesamte dortige Wirtschaft in ein gewaltiges Chaos gestürzt.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, die Bezeichnung »Puppenspieler«, zu akzeptieren. Für Menschen mochten die Bürger ja tatsächlich aussehen wie zwei Handpuppen, aber man stelle sich doch nur einmal vor, was es für einen Paranoiker bedeutete, dass Aliens diesen Begriff auch noch bereitwillig akzeptierten!
Versetz dich in Ausfallers Lage!
Eine ganze Welt ist einfach zu groß, um sie zu verstecken, also hätte sie schon vor langer Zeit gefunden werden müssen. Dass man Welten auch würde fortbewegen können, musste für die Wildmenschen nach wie vor schlichtweg unvorstellbar sein – folglich ließ die Tatsache, dass bislang sämtliche Versuche, die Heimatwelt der Puppenspieler ausfindig zu machen, gescheitert waren, für Ausfaller nur einen Schluss zu: Hier musste tatsächlich eine Verschwörung am Werk sein.
Ein Syllogismus: Unter Aufbietung sämtlicher Ressourcen der Vereinten Nationen hätte man die Heimatwelt der Puppenspieler längst finden müssen. Bislang hatte man die Heimatwelt nicht gefunden. Ergo: Einige Ressourcen der Vereinten Nationen mussten umgeleitet worden sein – oder einige Entdeckungen vertuscht.
Daraus folgerte Ausfaller, dass es in der ARM einen Spion der Puppenspieler gab. Q. E. D.
Nessus erschauerte. Die ARM hatte wahrscheinlich Informationen über seine letzte Suche bereits durchsickern lassen – in der Hoffnung, die Puppenspieler und ihre Agenten dazu zubringen, sich zu zeigen. Jede einzelne von Nessus’ üblichen Quellen bei den Vereinten Nationen mochte jetzt mit Ausfaller zusammenarbeiten oder – ohne ihr Wissen – unter seiner Beobachtung stehen.
Nessus dachte über sein Dilemma nach, vergaß Essen und Trinken und zupfte nervös an seiner Mähne. Er brauchte einen völlig neuen Ansatz, um Ausfallers Vorgehensweise herauszufinden: Er musste – völlig anonym – ein gänzlich neues Netzwerk rekrutieren. Konnte er noch schnell genug handeln, um die Flotte zu schützen?
Jegliche Hoffnung, nach Hearth – und zu Nike! – zurückzukehren, versank hinter einer völlig ungewissen Zukunft.
Das Solsystem war die Heimat von nur wenigen Milliarden, doch diese wenigen kannten keinerlei Furcht. Sie erfüllten den Himmel mit interplanetaren Jachten und Linienschiffen, mit Schleppern und Frachtern, mit Wachschiffen der Belter und Fregatten der Vereinten Nationen. Zu diesen Handelsschiffen kamen noch weitere: die vielen Interstellar-Schiffe, die durch die Leere des Alls kreuzten, um die fernabgelegenen Kolonien der Menschen und die Heimatwelten der Kzinti und der Kdatlyno zu erreichen.
Nessus hatte nicht die Absicht, auch nur ein einziges dieser zahllosen Schiffe über seine Anwesenheit in Kenntnis zu setzen. Er näherte sich dem Solsystem auf einem Tangentialkurs, statt geradewegs darauf zuzusteuern – und das auch noch in einem steilen Winkel zur Ekliptik. In den anonymen Regionen weit jenseits der Oortschen Wolke ließ er die Aegis aus dem Hyperraum heraustreten …
Und streckte sich schon der Konsole entgegen, um – ganz wie es seiner Gewohnheit entsprach – einen Tiefenradar-Scan einzuleiten.
Doch dann zuckte sein Kopf zurück. Die Aegis war gerade weit entfernt von jeder Singularität aus dem Hyperraum herausgetreten. So wurde es noch unwahrscheinlicher, dass die Wellen, die seine Rückkehr in den Normalraum unweigerlich erzeugte, von
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