Ringwelt 12: Weltenwandler
scharf. »Was auch immer für eine paranoide Wahnvorstellung du dir da gerade zurechtlegst, um meine Beförderung zu rechtfertigen – hör auf damit!«
»Und damit bleibt mir was zu tun?«, erkundigte sich Sigmund.
Addeo bog in einen weiteren Feldweg ein, der einen Abhang hinunterführte; ein Stück weit tiefer stand eine alte Holzbank. »Das ist das Zweite, worüber wir sprechen sollten. Ich kann beeinflussen, wo du als Nächstes eingesetzt wirst. Und Gleiches gilt für deine Freunde.«
Das warf natürlich die Frage auf: Was wollte er denn eigentlich?
Er wollte Shaeffer und Pelton festnageln.
Und daraus ergab sich der winzige Keim eines Plans. Konnte er damit wirklich durchkommen? »Ist entsetzlich heiß hier draußen«, gab Sigmund zurück. Zur Betonung hob er die Arme und wies mit den Fingerspitzen auf seinen selbstverständlich schwarzen Anzug. »Um ehrlich zu sein, ich bin nicht ganz richtig dafür gekleidet, hier herumzulaufen – wo auch immer ›hier‹ nun eigentlich sein mag.«
»Wir befinden uns hier auf der Hochebene des Shenandoah Valley«, beantwortete Addeo die Frage. »Im Norden von Virginia.«
»Hier ist es ja noch heißer als in New York«, murmelte Sigmund. »Ich sag dir was: Wie wäre es mit irgendeinem Ort, an dem es etwas kühler ist? Alaska vielleicht. Ist irgendwo in Alaska eine Planstelle frei?«
Addeo zuckte mit den Schultern. »Kaum vorstellbar, dass da nichts frei sein soll, aber selbst wenn, ist das auch egal. Da kann ich dir schon eine Stelle beschaffen. Das bin ich dir in jedem Fall schuldig. Die Ruhe da wird dir gut tun.«
»Danke«, erwiderte Sigmund, und er meinte es völlig ernst, auch wenn er wirklich jeden Posten verdient hätte, an dem er interessiert gewesen wäre.
Warum also nicht ganz in der Nähe von Nome, wo Beowulf jetzt lebte – zusammen mit der Flatphobikerin Sharrol Janss?
Panisch humpelten die Schwangere und der Mann auf die Bäume zu. Selbst noch auf der anderen Seite der Lichtung hörte Sigmund klar und deutlich, wie sie nach Luft rangen. Tränen strömten der Mutter über die Wangen.
»Die sehen unbewaffnet aus, Jungs«, meldete Andrea über Funk. »Ich habe freies Schussfeld. Was haltet ihr davon: Ich erledige sie, und wir können dann alle nach Hause gehen?«
Feather hatte noch kein Wort gesagt. Und Sigmund rechnete auch nicht damit, dass sich das noch ändern würde. Wenn er sie fragte, würde sie leugnen, den beiden Flüchtlingen ihre Position verraten zu haben. »Stellung halten, Andrea«, wies Sigmund sie jetzt an. »Die kommen auf mich zu.«
Mom stolperte über irgendetwas, das sie im sturmbewegten Gras übersehen hatte. Sie stieß einen Schrei aus und stürzte auf Hände und Knie. Dad riss sie wieder auf die Beine, und dann stolperten sie, ohne es zu wissen, geradewegs auf Sigmund zu.
Welchen Vergehens genau hatten die beiden sich eigentlich schuldig gemacht? Sie folgten den Vorschriften von Jahrmillionen der Evolution, die von ihnen verlangten, sich fortzupflanzen.
Sigmund fragte sich: Denke ich jetzt besser oder schlechter über Janss, nachdem sie sich von Shaeffer hatte scheiden lassen, weil das Fruchtbarkeits-Komitee einem Albino keine Elternschaftslizenz ausstellen wollte?
Genauso, wie das Fruchtbarkeits-Komitee niemals, wirklich ganz gewiss niemals, einem Paar eine Elternschaftslizenz ausstellen würde, bei dem beide von Natur aus paranoid waren. Eigentlich wünsche ich mir ja auch gar keine Kinder, dachte Sigmund. Ich nicht, aber Feather. Und ich wünsche mir ein Leben mit Feather.
Nichts war nach Plan verlaufen. Janss hatte ihre alte Bekanntschaft mit Carlos Wu wieder aufgefrischt und lebte jetzt irgendwo in der Südsee. In deren Zukunft sah Sigmund sehr wohl Kinder. Shaeffer hatte die Erde verlassen. Das Letzte, was Sigmund über Shaeffer gehört hatte, das war, dass er sich auf Gummidgy, einer Welt im CY Aquarii System, die dortigen Sehenswürdigkeiten anschaute. Und Pelton pendelte immer noch zwischen der Erde und Jinx hin und her, immer noch arbeitete er an diesem Geheimprojekt.
Und ich, dachte Sigmund, sitze hier mitten im Nichts fest.
»Sigmund! Die haben die Bäume schon fast erreicht!«, rief Andrea und sprang aus ihrer Deckung hervor.
»Schön in Deckung bleiben, du Frischling!«, wies Sigmund sie an. »Vielleicht haben die ihre Waffen da im Unterholz versteckt.«
Feather, die immer noch auf der anderen Seite der Lichtung stand, starrte zu ihnen hinüber. Kaum merklich nickte Sigmund. »Ich habe freies
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