Ripley Under Water
gehen? Steht sie zur Zeit überhaupt in Verbindung mit Pritchard? Cynthia haßt mich.« Bei den Worten erschauerte er. »Sie würde mich zu gern richtig hart treffen. Aber sollte sie sich entscheiden, die Fälschungen aufzudekken – zu verraten, wann Bernard Tufts damit angefangen hat…« Wieder flüsterte er fast. »…dann würde sie auch Bernard verraten, ihre große Liebe. Ich wette, so weit wird sie nicht gehen. Doch diese Wette kann ich ebensogut verlieren.« Tom lehnte sich im Sessel zurück, blieb aber weiterhin angespannt. »Ich hoffe eher und bete… Cynthia hab ich seit etlichen Jahren nicht getroffen – kann sein, daß sie Bernard jetzt mit anderen Augen sieht, ein bißchen mindestens. Womöglich ist es ihr wichtiger, sich an mir zu rächen.« Tom verstummte und beobachtete Ed, der noch überlegte.
»Tom, warum sagst du ›sich an mir rächen‹, wenn du weißt, daß uns das alle treffen würde? Jeff und ich, wir haben Artikel gemacht, mit Fotos von Derwatt und seinen Bildern. Alten allerdings«, fügte er lächelnd hinzu. »Da wußten wir schon, Derwatt war tot.«
Tom sah seinen alten Freund unverwandt an. »Weil Cynthia weiß, daß die Idee mit Bernards Fälschungen ursprünglich von mir stammt. Eure Artikel kamen erst später. Bernard hat ihr davon erzählt, und das war für beide der Anfang vom Ende.«
»Stimmt. Das weiß ich noch.«
Ed, Jeff und Bernard, vor allem aber Bernard, waren Freunde des Malers Derwatt gewesen. Und als dieser während einer depressiven Phase nach Griechenland verschwunden und vor irgendeiner Insel ins Wasser gegangen war, bedeutete sein Tod für die Freunde daheim in London verständlicherweise einen bestürzenden Schock. Derwatt galt in Griechenland bloß als »verschollen«, seine Leiche wurde niemals gefunden. Damals war er etwa vierzig gewesen, das wußte Tom noch, hatte gerade erste Anerkennung als einer der ganz Großen gefunden und seine besten Werke vermutlich noch vor sich gehabt. Tom war auf die Idee verfallen, Bernard Tufts, der selber Maler war, solle sich an einigen Derwatt-Fälschungen versuchen.
»Warum lächelst du?« fragte Ed.
»Ich habe mir meine Beichte vorgestellt. Sicher würde der Priester sagen: Könnten Sie das alles aufschreiben?«
Ed warf den Kopf zurück und lachte. »Nein, er würde sagen, das hättest du dir ausgedacht!«
»Oder er würde sagen –«, fuhr Tom lachend fort.
In einem anderen Zimmer klingelte das Telefon.
»Entschuldige, Tom, ich erwarte einen Anruf.« Ed ging hinaus.
Während er sprach, sah sich Tom in der »Bibliothek« um, wo er schlafen sollte: viele gebundene Bücher, aber auch Taschenbücher, in zwei Regalen, die an den Wänden über die ganze Breite und bis zur Decke reichten – Tom Sharpe und Muriel Spark fast Seite an Seite. Ed hatte einige wertvolle Möbel gekauft, seit sie sich zuletzt gesehen hatten. Wo lebte seine Familie noch gleich? In Hove?
Und was tat Héloïse jetzt gerade, kurz vor vier? Je eher sie Tanger verließe und nach Casablanca flöge, desto wohler wäre ihm.
Ed kam zurück: »Alles in Ordnung.« Er zog einen roten Pullover über sein Hemd. »Hab einen unwichtigen Termin abgesagt und bin nun frei bis zum Abend.«
»Gehen wir zur Galerie.« Tom stand auf. »Hat sie nicht bis halb sechs oder sechs geöffnet?«
»Bis sechs, glaube ich. Will nur noch die Milch wegstellen, den Rest lassen wir stehen. Wenn du deine Sachen aufhängen willst, Tom – da links im Schrank ist Platz.«
»Für’s erste hab ich meine zweite Hose über einen Stuhl gehängt. Gehen wir.«
An der Wohnungstür drehte Ed sich um. Er hatte einen Regenmantel übergezogen. »Was war das andere, was du sagen wolltest? Über Cynthia?«
»Ach ja.« Tom knöpfte seinen Burberry zu. »Das zweite ist eine Kleinigkeit: Sie weiß natürlich, daß die Leiche, die ich verbrannt habe, Bernards war, nicht Derwatts. Dir brauche ich das nicht zu sagen. Also habe ich Bernard in gewisser Weise noch tiefer gekränkt, indem ich – nun, seinen Namen noch tiefer in den Schmutz zog, als ich der Polizei erzählte, er wäre jemand anders.«
Ed dachte kurz darüber nach, die Hand auf dem Türknauf. Dann ließ er nervös los und sah Tom an: »Aber du weißt doch, Tom: All die Jahre hat sie nichts zu uns gesagt. Weder zu Jeff noch zu mir. Sie läßt uns links liegen, mehr nicht, was uns ganz recht ist.«
»Sie hatte noch nie solch eine Gelegenheit, wie sie Pritchard ihr jetzt bietet«, konterte Tom. »Ein sadistischer Irrer, der sich immer
Weitere Kostenlose Bücher