Ritter 01 - Die Rache des Ritters
aussehenden Acker gründlich durchpflügen und dann gleich nachkommen.« Als Evard sich entfernte, wandte Nigel seine Aufmerksamkeit wieder dem zitternden jungen Mädchen zu. »Komm jetzt, Süße, sei nett zu deinem Lord, hmm?«
Es dauerte nicht lange, da tauchte Nigel aus dem Gebüsch auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er legte seinen Schwertgürtel um und stieg auf das Pferd des Barons, das er sich genommen hatte, nachdem er seines an Rutledge verloren hatte. Er trieb das Tier zum Galopp an und ritt kurze Zeit später mit donnernden Hufen in den Burghof von Norworth ein. Er rief dem herbeieilenden Squire eine Frage zu und erfuhr, dass Lady Raina sich in ihr Zimmer zurückgezogen habe.
Nigel stürmte die Wendeltreppe hinauf und klopfte an die geschlossene Tür zu Rainas Zimmer. Er hielt sich nicht damit auf zu warten, bis er hereingerufen wurde.
Raina stand neben der Wanne mit milchig-trübem Wasser und fuhr sichtlich erschrocken zu ihm herum. Sie errötete und strich sich rasch den Rock ihres Gewandes aus roter Seide glatt. Ihre blassen, kleinen Füße waren nackt, ihr Haar war offen und lockte sich feucht bis fast zu den Hüften. Nigel verfluchte sein Timing; es schien, dass er noch einen Blick auf ihren unbekleideten Körper hätte werfen können, wenn er nur einen Augenblick früher gekommen wäre. Schon bald, dachte er. Schon bald würde es ihm freistehen, sich all das von ihr anzusehen, was er wollte. Lächelnd ging er auf sie zu und nahm sie in die Arme.
»Raina, allen Heiligen sei Dank, dass du wieder daheim bist!« Er atmete tief ihren sauberen Duft ein und hielt sie trotz ihrer versteinerten Reaktion fest. »Ich hatte etwas im Dorf zu erledigen, als ich von deiner Rückkehr hörte.« Er setzte ein falsches Lächeln auf. »Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.«
Sie befreite sich aus seiner Umarmung und schlang die Arme um sich. Ihre Stirn legte sich in ärgerliche Falten. »Nigel, was ist hier passiert? Mein Vater – «
»Ist nicht wohlauf«, beendete er den Satz für sie und ging zum offenen Fenster, um auf den Hof hinunterzuschauen. »Der Baron kann in letzter Zeit kaum noch seine Gedanken beherrschen, geschweige denn eine Burg. Aber sei versichert, dass ich jede Anstrengung unternommen habe, mich an seiner statt in die Rolle des Kastellans einzufinden.« Er schaute sie über die Schulter an und sah, dass ihre Stirn sich geglättet hatte. Nachdenklich und mit dem herzlichsten Gesichtsausdruck, den er zustande brachte, fügte er hinzu: »Es war keine leichte Aufgabe, sich auf die geschäftlichen Dinge zu konzentrieren, wenn mein Herz sich nur nach deiner sicheren Rückkehr sehnte.«
Es brachte ihm ein kleines Lächeln ein. »Danke, dass du dich um alles gekümmert hast.«
Nigel runzelte die Stirn. Er war verblüfft über ihre Zurückhaltung und dass es ihm offensichtlich nicht gelungen war, sie zu beruhigen. Er wandte sich vom Fenster ab und sein Blick richtete sich auf das Bett.
Dort lagen die zerlumpten Überreste von Rainas Kleid. Daneben der Umhang eines Mannes. Nigel ging auf das Bett zu, und sein Zorn wuchs mit jedem Schritt, mit dem er sich ihm näherte. Rainas Gewand war zerrissen und beschmutzt; der Rock ausgefranst und starrte am Saum vor Schmutz; einer der Ärmel war an der Schulter abgerissen. Er biss die Zähne zusammen und berührte die blasse Seide, strich über das Mieder. Sein Blick glitt zu dem Umhang, und er prüfte den Stoff zwischen den Fingern. Seltsam, dachte er, dass man einer Geisel die Wärme des Umhangs ihres Entführers anbietet. »Man sagt, er hat dich frei gelassen.«
»Ja«, antwortete sie. »Er will keine Rache mehr. Er wollte mich nicht länger gegen meinen Vater benutzen, deshalb schickte er mich nach Hause, eine Geste des guten Willens – «
»Guter Wille?« Nigel ließ den Umhang mit offensichtlichem Abscheu fallen und sah Raina an. Sie schenkte ihm den unschuldigen, vertrauensvollen Blick eines Kindes. Welche Naivität. Er lachte leise. »Guter Wille, in der Tat.« Er ging zum Fenster, wo er sich mit der Hüfte gegen den Sims lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte. »Wie viele Königreiche sind schon verloren gegangen, weil ein Schuft geschworen hat, guten Willens zu sein?«
»Er ist kein Schuft«, widersprach Raina, »und sein Wort ist ehrenhaft. Ich vertraue ihm.«
Nigel schnaubte verächtlich. »Herrgott noch mal, Raina! Wenn man dich so reden hört, könnte man auf die Idee kommen – « Sein Blut schien zu erstarren,
Weitere Kostenlose Bücher