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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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und breiteten sich in dem getrockneten Gras aus. Blökend rannten die Schafe ins Freie und flüchteten vor dem Feuer, mit dem der Wildhüter die Spuren verwischen wollte.
    Als das letzte Tier den Stall verlassen hatte, schloss er den Eingang. Er fand es für den Vater des Jungen tröstlicher, dass der Spross durch ein Feuer und nicht durch die Klauen und Zähne zweier Bestien umgekommen war. Die Wahrheit durfte nicht ans Licht kommen. Niemals.

VI.
KAPITEL
    München, 11. November 2004, 13:51 Uhr
     
    Eric stoppte den Cayenne auf der alleeartigen Zufahrt zur Villa, die ihm sein Vater vermacht hatte. Besser gesagt, er stoppte vor den verkohlten Überresten. Und das diesige, graue Winterwetter machte den Anblick auch nicht schöner.
    Er stieg aus, lehnte sich an die offene Tür des Porsches und betrachtete versonnen, was nun ihm gehörte. Hier hatte er den Großteil seiner Kindheit verbracht, war durch die langen Flure gerannt, hatte den riesigen, geheimnisvollen Dachboden unsicher gemacht oder in einem seiner berühmten Wutanfälle mit Kochtöpfen um sich geworfen. Hier hatte ihm sein Vater alles beigebracht, was für die Jagd notwendig war: Das Wissen über die Wandelwesen, ihre Sprachen und Gebräuche. Und er hatte ihn in der Kunst des Lügens, Spionierens und vor allen Dingen des Kämpfens trainiert. Mit dem achtzehnten Geburtstag begann sein Leben als Krieger, bei dem ihn sein Vater anfangs noch begleitete, bis er sich nach zwei Jahren zurückzog und fieberhaft zu forschen begann, zum Mann im Hintergrund wurde. Das Anwesen in München war der Hauptsitz seiner alten und traditionsreichen Familie, ein Haus voller verborgener Schätze, welche die Dynastie derer von Kastell gesammelt hatte.
    Das war es … gewesen.
    Der prachtvolle Bau aus dem 18. Jahrhundert existierte nicht mehr, war abgebrannt, eingestürzt bis auf die Grundmauern, vergangen. Manche einsame Fensterscheibe hatte der Hitze getrotzt und es mit Erblindung bezahlt, andere waren geplatzt oder gesprungen. Der Anblick tat ihm weh.
    Es war nun amtlich: Die Kriminalbeamten hatten Überreste von C4-Sprengstoff und eine Zündkapsel gefunden. Eric selbst gehörte nicht zu den Verdächtigen: Er hatte sich ein Alibi verschafft und sich den Ermittlungen so entzogen.
    Erics Füße trugen ihn wie von selbst über den knirschenden Schnee die Sandsteintreppe hinauf. Er schlüpfte unter dem weißgrünen Absperrband der Polizei hindurch, berührte den nach Ruß und Kohle riechenden Türstock, tätschelte ihn wie einen vertrauten Freund und trat schließlich unter ihm hindurch in die Eingangshalle. Die schwarzweißen Kacheln waren unter dem Schutt verschwunden, die geliebte Holztreppe hatte sich den Flammen ergeben und lag als undefinierbares schwarzes Etwas am anderen Ende der Halle.
    Aber Eric wollte auch nicht ins erste Geschoss. Das Arbeitszimmer dort oben war zerstört – aber das wahre Wissen lagerte an anderer Stelle. Mühsam bahnte er sich einen Weg in die Küche, die aussah, als hätte sie lediglich unter der Druckwelle der Sprengladungen gelitten. Hier lag der Eingang zum verborgenen Keller.
    Er ging zum Vorratsregal, auf dem noch immer die kleinen, leckeren Hartwürste lagen, die er so mochte, schob es nach hinten und öffnete damit den Zugang zu einer schmalen Treppe. Sie führte in das geheime Reich seines Vaters: ein unterirdisches Labor und einmaliges Waffenarsenal zugleich.
    Im Dunkeln stieg er hinab; er kannte jede Stufe, jede Unebenheit – und die versteckten Auslöser der Sicherungsmaßnahmen. Unten angelangt, öffnete Eric die gewaltige Tresorraumtür und wollte den stockdunklen Raum dahinter betreten.
    Ein leises Scharren auf der Treppe warnte ihn.
    Er zog die Sig Sauer und richtete die mitgebrachte Taschenlampe auf den Eingang. »Sie betreten Privatbesitz. Wenn Sie von der Polizei sind, geben Sie sich auf der Stelle zu erkennen.«
    Das Scharren wurde lauter, jemand kam sehr vorsichtig die Stufen herab und wusste anscheinend genau, welche er nicht betreten durfte.
    Das würde dem Eindringling nichts nutzen. Eric warf die Taschenlampe auf die letzte Stiege. Und aktivierte so die Sicherungssysteme.
    Simple Mechanik war etwas Wunderbares, denn sie benötigte keinerlei Strom, um zu funktionieren. Eine starke Eisenfeder, ein Haltebolzen, ein angespitzter Silberstab und das Ganze in fünfzigfacher Ausfertigung ergaben eine wirkungsvolle Waffe. Die in der Wand eingelassenen Silberstäbe schnellten aus ihrer Verankerung und spießten auf, was sich auf der

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