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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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liefen nun Seite an Seite. Er packte ihre Hand und zog sie vorwärts. Zu spät fiel ihm ein, dass er damit seinen Bestiengeruch noch stärker auf sie übertragen und für die Hunde noch viel interessanter hatte werden lassen.
    Der Zufall kam ihnen zur Hilfe und führte sie an einem Gewürzstand vorbei. Im Rennen riss der junge Mann ein Tütchen wertvollen Pfeffer von der Auslage. Das fein gemahlene Pulver würde die Nasen und Augen der vierbeinigen Verfolger reizen und untauglich machen, doch noch bot sich keine Gelegenheit, das schwarze Gewürz einzusetzen.
    Sie stürmten vom Markt. Florence keuchte und rang nach Atem, lange würde sie diese Geschwindigkeit nicht mehr halten können. Die Bluthunde hatten sie fast erreicht, weil es nichts mehr gab, dem sie ausweichen mussten. Nun konnten sie ihre ganze Schnelligkeit entfalten.
    »Nach links«, schrie Pierre und stieß sie in eine enge Gasse, streute den Pfeffer auf den Weg und zerrte sie an der Hand weiter. »Nicht stehen bleiben!«
    Sie liefen aus Malzieu hinaus und gelangten über eine Wiese in einen Obsthain.
    »Da hinauf«, befahl Pierre und deutete auf den knorrigen Stamm eines bejahrten Apfelbaums. Als Florence es nicht schaffte, mit den Schuhen Halt an der Rinde zu finden, packte er sie in der Taille und warf sie mit Schwung nach oben; sie packte einen Ast und zog sich ächzend hinauf.
    Das wütende Bellen des Bluthundes warnte Pierre. Einer aus der Meute war zäh genug gewesen, sich durch Pfeffer in der Nase nicht von der Verfolgung abbringen zu lassen.
    »Pierre, komm hoch!«, schrie Florence außer sich vor Sorge. »Er wird dir an die Kehle gehen!«
    Er schaffte es, gerade noch rechtzeitig, den Baum hinaufzuklettern und sich auf den Ast zu schwingen, auf dem sie saß. »Nimm das Pulverhorn, öffne den Verschluss und lass das Pulver ganz langsam nach unten rieseln, wenn der Hund genau unter uns steht«, instruierte er sie, während er den Ersatzfeuerstein für die Muskete aus seiner Ledertasche nahm und an die Klinge seines Messers hielt.
    Sekunden später sprang der Bluthund bellend am Stamm hoch, stützte die Vorderpfoten dagegen und starrte wütend zu den für ihn unerreichbaren Menschen hinauf.
    Florence tat mit fliegenden Fingern das, was Pierre ihr aufgetragen hatte, und es schneite schwarz auf den Hund hinab. Rasch schloss sie den Deckel. Ein einziger Funke, den der junge Mann mit Stein und Messer rechtzeitig erzeugte, genügte, um aus dem Pulver unvermittelt einen knisternden Feuerregen zu machen, der auf den Bluthund niederging. Das bisschen Schwarzpulver reichte nicht aus, den Hund in Flammen zu setzen, doch es genügte, um ihm gehörig das Fell anzusengen und ihn in die Flucht zu schlagen. Jaulend rannte er davon.
    Erleichtert schlang Florence ihre Arme um Pierre, drückte sich an ihn, so gut es ging und barg ihr Gesicht an seinem Hals. Nach kurzem Zögern umfing er sie und streichelte beruhigend über ihren Schopf. Sie weinte die Erleichterung aus sich heraus.
    Schniefend ließ sie ihn los, und er trocknete ihre Tränen mit dem Taschentuch, das er seit ihrer ersten Begegnung als Talisman bei sich trug. Florence erkannte es sofort wieder und lächelte. Sein Tupfen um ihre Augen wurde langsamer. Er neigte den Kopf nach vorne, schluckte nervös, und ihre Lippen kamen den seinen entgegen.
    Als sie sich trafen, überkam ihn ein Gefühl der Glückseligkeit und der Wärme, wie er es noch nie empfunden hatte. Pierre drückte sie enger an sich, spürte ihre Brüste durch den Stoff des Kleides. Er erschrak über sein leises Stöhnen und das Feuer der Begierde, das in seinem Schoß erwachte.
    Florences Hände fuhren liebkosend über seine Brust, glitten erkundend unter sein Hemd – und verharrten. Sie hatte die Narben entdeckt, die vom Kampf mit dem Loup-Garou geblieben waren. Die süße Flut von leidenschaftlichen Küssen endete abrupt. Sie zog den Kopf weg und schaute fragend in sein Gesicht, ihre Linke fuhr prüfend über seine Stirn. »Du glühst, Pierre. Was ist mit dir?«, fragte sie besorgt.
    Nicht jetzt! Herr, steh mir bei und bewahre mich vor der Verwandlung! Er hatte die Hitze auf die Erregung geschoben, doch nun spürte er, dass sich das altbekannte Fieber ankündigte, das er so sehr hasste und fürchtete.
    »Florence, geh zurück in die Stadt«, stieß er mühsam hervor und rutschte vom Baum hinab. Schwindel erfasste ihn, und mit einem Mal drehte sich der Hain um ihn herum wie ein Kreisel. Er sackte zusammen. Pierre hörte, dass Florence etwas

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