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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Florence lächelte noch strahlender und bescherte Pierre damit das letzte bisschen Gewissheit, sich haltlos in sie verliebt zu haben. »Ihr und Eure Komplimente.«
    »Ach, Unsinn. Ich bin kaum älter als Ihr und schon gar kein Monsieur. Ich bin Pierre.« Er reichte ihr die Hand, die sie zögerlich ergriff, und er spürte ihre weiche Haut auf seiner.
    »Dann müsst Ihr … dann musst du mich Florence nennen.« Als würde sie sich erst jetzt wieder daran erinnern, was sie so schnell durch die Straßen getrieben hatte, sah sie sich suchend um. »Siehst du vielleicht die ehrwürdige Äbtissin? Wir wollten uns am Stand des Klosters treffen, aber entweder habe ich sie und die übrigen Schwestern nicht entdeckt, oder der Aufbau konnte noch nicht beginnen.« Sie richtete ihren Blick wieder auf ihn. »Du kannst meine Hand loslassen, Pierre. Ich laufe nicht vor dir davon.«
    Sein Kopf wurde glühend heiß. »Verzeih, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.« Rasch zog er die Finger zurück und hielt ihr den Kamm hin. »Darf ich dir ein Geschenk machen?«
    Sie hob ihre Augenbrauen, und die Anmut der Bewegung wäre einer Königin gerecht geworden. »Woher wusstest du, dass ich in Malzieu bin? Stellst du mir nach?«
    »Nein!«, rief er rasch. »Nein, ich habe dich vorhin gesehen und …« Er brach mitten im begonnenen Satz ab, weil sie den Kamm annahm und ihn bewundernd hin und her wendete.
    »Danke sehr. Er gefällt mir sehr gut. Ich werde ihn in Ehren halten.« Sie beugte sich nach vorne – und gab dem jungen Mann, vollkommen unerwartet, einen gehauchten Kuss auf die Wange. »Du hast mir soeben ein viel größeres Geschenk gemacht.«
    In Pierres Magen tanzten Schmetterlinge, seine Beine fühlten sich weich an wie Wachs. »Sehen wir uns wieder?«, fragte er wie im Rausch und wollte sie am liebsten vor aller Augen in die Arme schließen, an sich drücken und spüren. Aber es schickte sich nicht, das Mündel der ehrwürdigen Äbtissin derart bloßzustellen. »Ich möchte mit dir reden, abseits neugieriger Augen und Ohren, und alles über dich erfahren«, sprudelte es aus ihm heraus. »Sehen wir uns in der Pilgerkapelle von Saint Grégoire?«
    Sie nickte ohne zu zögern.
    »Ich kann dir nur nicht sagen, wann wir wieder in die Gegend kommen. Es hängt davon ab, wohin die Bestie geht und wo sie ihre Morde verübt.« Er schaute an ihr vorbei und glaubte für einen winzigen Moment, den Dreispitz seines Bruders Antoine gesehen zu haben, der sich auf sie zu bewegte. Das fehlte noch.
    Florence steckte den Kamm in eine Falte ihres Kleids. »Es macht mir nichts aus zu warten, Pierre. Sobald du in der Kapelle bist, zünde eine Kerze an und stelle sie in das linke Fenster neben dem Gemälde des heiligen Gregor. Ich kann sie von meinem Zimmer aus sehen und werde so wissen, dass du da bist.«
    In Pierres Rücken riefen die Menschen erschrocken; das tiefe Bellen von Hunden war zu hören, gefolgt vom Fluchen und Brüllen eines Mannes, der versuchte, die Tiere wieder einzufangen.
    Die Besucher des Festes sprangen auseinander und bildeten eine Gasse. Somit sah der junge Wildhüter, als er sich umdrehte, um nach dem Tumult zu schauen, dass die Bluthundemeute genau auf ihn zulief. Die feinen Nasen ließen sich nicht täuschen.
    Er wandte sich zu Florence, die voller Angst auf die nahenden goldbraunen Hunde starrte, um sich hurtig zu verabschieden.
    »Ich … ich fürchte … mich vor Hunden«, stammelte sie bebend, und bevor Pierre sie beruhigen konnte, lief sie nach rechts, um der Meute zu enteilen. Er erschrak. Durch den Kamm war sein Geruch auf Florence übergegangen, und nun würden die Hunde auch sie jagen! Es war unmöglich, dass sie den Tieren entkam, die wesentlich schneller liefen als eine Frau in einem Kleid. Florences hektischen Bewegungen würden die zur Jagd abgerichteten Hunde nur noch mehr dazu herausfordern, sich an ihre Fersen zu heften.
    Pierre rannte Florence hinterher, um sie vor den wütend bellenden Hunden zu beschützen. Es war alles seine Schuld. Ein Loup-Garou sollte keine Geschenke verteilen, wenn Jagdhunde in der Nähe waren. Besser, deren Zähne bohrten sich in sein Fleisch als in ihres.
    Er setzte zu einem Spurt an, um das Mädchen einzuholen, und stellte bewundernd fest, dass sie beinahe genauso schnell war wie er. Dafür wand sie sich geschickt an den Menschen vorbei, die ihr im Weg standen, während er die Hindernisse zur Seite stoßen musste.
    Die Meute hetzte geifernd hinter ihnen her.
    Florence und Pierre

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