Rivalen der Liebe
Büro stürmen würde, nachdem er ihren Beitrag gelesen hatte. Erzürnte Leser und beschämte Personen, die Gegenstand der »Geheimnisse der Gesellschaft« waren, kamen regelmäßig schnaufend und keuchend her, um ihre Fälle vorzubringen und Forderungen an Knightly zu stellen. Aber Roxbury war einer der wenigen, die bisher an Mehitable Loud vorbeigekommen waren. Und der Erste, der Knightly zum Duell forderte.
Dennoch war Julianna nicht auf diesen groß gewachsenen, arroganten, tyrannischen und verflixt gutaussehenden Mann vorbereitet gewesen, der da gerade ihren Frieden gestört hatte. Er besaß mit seiner Größe und dem offenbar sehr muskulösen Körper eine überaus beeindruckende Ausstrahlung. Seine Gesichtszüge waren eindeutig die eines Adeligen – edel und ausgeprägt –, und ob sie es wollte oder nicht, sie musste zugeben, dass er wirklich gut aussah: Seine Augen waren von einem dunklen, samtigen Braun. Und die Intensität dieses Blicks war elektrisierend.
Außerdem hatte Roxbury mit ihr gesprochen, wie es sonst niemand wagte. Er stellte Forderungen, obwohl sie doch schon lange ihre eigene Herrin war. Julianna war keinem Mann Rechenschaft schuldig, wenn man von Knightly einmal absah. Und selbst das nur manchmal und wenn es ihr gerade zupass kam.
Gut, Roxbury hatte ihr Befehle gegeben, aber sie war ihm zu nichts verpflichtet, und es hatte ihr eine diebische Freude bereitet, ihm das mitzuteilen. Andererseits empfand sie es als merkwürdig aufregend, wenn man ihr sagte, was sie zu tun habe. Besonders, wenn sie so offen ungehorsam war.
Sie wandte sich vom Fenster und dem Gewimmel auf der Fleet Street ab und sprach ihren Arbeitgeber an.
»Ich werde weder die Entschuldigung noch eine Gegendarstellung schreiben«, erklärte sie Knightly unverblümt. Er schaute von seiner Arbeit auf, die darin bestand, die Artikel für die nächste Ausgabe zu korrigieren.
»O doch, das werdet Ihr«, sagte Knightly und widmete sich wieder seiner Arbeit.
Sie blickte ihn finster an.
»Mir ist es lieber, wenn Euer Stolz einen Knacks abbekommt als meine Person«, fügte Knightly hinzu. Er legte den Bleistift nieder und schenkte ihr seine volle Aufmerksamkeit.
»Ihr könnt doch nicht ernsthaft in Betracht ziehen, zu diesem Duell zu gehen! Wegen so einer Kleinigkeit in der Zeitung!«
»Um den Ruf dieser Zeitung und um meiner selbst willen muss ich kämpfen«, erwiderte der Verleger sachlich.
Jeder wusste, dass die Zeitung für Mr. Knightly alles bedeutete. Er hatte seine Mutter Delilah, aber sonst gab es in seinem Leben weder eine Familie noch eine Frau. Er schlief häufiger im Büro als daheim. Ja, er würde bis in den Tod für die Weekly kämpfen, ohne einen zweiten Gedanken daran zu verschwenden, ob die Zeitung diesen hohen Preis auch wert war, oder den Hauch eines Zweifels zu verspüren.
»Er ist schrecklich, nicht wahr? So grob! Stürmt einfach hier rein und …«
Mr. Knightly lachte.
»Darf ich Euch daran erinnern, Lady Somerset, dass Ihr damals genauso in mein Büro gestürmt seid?«
Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Julianna tatsächlich uneingeladen sein Büro betreten und ihm unmissverständlich erklärt, dass ihr bekannt sei, dass er auch Frauen einstelle, immerhin habe er am Vortag ihre liebste Freundin Sophie unter Vertrag genommen. Als Nächstes hatte sie dann von ihm gefordert, dass er sie auch einstellen müsste – als neue Gesellschaftskolumnistin.
Obwohl sie keine schüchterne, zurückhaltende Persönlichkeit war – um es vorsichtig auszudrücken –, hatte Julianna damals vor Aufregung am ganzen Leib gezittert. Es gehörte sich einfach nicht, als Frau in einer solchen Position zu arbeiten; sie wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, wohin sie das führen würde – und sie war ehrlich verzweifelt.
Die meisten Männer hinterließen den Großteil ihres Vermögens der eigenen Frau und setzten eine kleine jährliche Rente für eine Lieblingsmätresse oder möglicherweise vorhandene uneheliche Nachkommen aus. Der verstorbene, großartige Lord Harry Somerset hatte es genau umgekehrt gemacht: Er hatte seiner Frau so gut wie nichts hinterlassen, nachdem er seine zahlreichen Mätressen und Bastarde großzügig bedacht hatte.
Er hatte ihr aber immerhin einen Namen gelassen – einen Namen, der so skandalbehaftet war, dass er jeden auch nur halbwegs ehrenhaften Verehrer abschreckte. Aber das war ihr auch egal, denn Julianna hatte nicht vor, irgendwann noch einmal zu heiraten. Ihr Herz, ihr Verstand, ihr Körper
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