Rivalen der Liebe
ergeben gewesen. Damen brachten ihr Riechsalz zu den Abendveranstaltungen mit, wenn sie wussten, dass er kam.
Das war schon bemerkenswert. Man könnte meinen, sie glaubte die Gerüchte, die sie selber streute, obwohl sie genau wusste, dass es nicht stimmte.
Lady Somerset, diese verführerische Hexe, beschäftigte seine Gedanken nicht nur den Großteil des Tages, sondern auch eine unziemlich lange Zeit der Nacht. Zumindest redete er sich das ein. Sie musste ein Teufel sein, denn anders konnte er sich nicht erklären, wie sie ihn verzaubern konnte, ohne ihrerseits seinem Charme zu erliegen.
»Sie ist der leibhaftige Teufel, weil sie eine scharfe Zunge und eine giftige Feder hat. Weil sie es genießt, das Leben unschuldiger Männer zu zerstören und weil …«
Entweder er wurde jetzt doch wahnsinnig und litt unter Halluzinationen, oder er sah genau in diesem Augenblick Lady Julianna Somerset vor sich.
Verkleidet als Mann.
Hier im White’s.
»Sie ist hier«, erklärte er ehrfürchtig.
»Wie viel hast du schon getrunken? In dreihundert Jahren hat es keine Frau gewagt, diesen Club zu betreten.« Brandon lächelte nachsichtig.
»Sie ist eine Hexe und eine als Mann verkleidete Frau. Und sie ist hier .«
Widerstrebend musste Roxbury grinsen. Sie stürzte ihn zwar ins Verderben und war für alle Männer eine Pest, aber diese Lady hatte wirklich Mumm in den Knochen. Das musste er neidlos anerkennen.
Brandon schaute sich um, doch er entdeckte sie nicht. Für Roxbury war ihre Verkleidung jedoch leicht zu durchschauen.
Diese langen, wohlgeformten Beine konnten nur einer Frau gehören, und für einen kurzen Moment stellte er sich vor, wie ihre nackten Beine sich um seinen Rücken schlangen, während er sich tief in ihr vergrub. Sein Mund wurde trocken. Ihre Lippen waren zu voll und perfekt und waren wie geschaffen für das kokette, geheimnisvolle Lächeln einer Frau, um für die eines Mannes durchzugehen.
Wie die meisten Herren in diesem Raum las Brandon Zeitung. Manche lasen zweifellos auch Juliannas Kolumne und waren sich gar nicht bewusst, dass die Autorin sich gerade unter sie geschummelt hatte. Dabei hätte ein einziger Blick genügt, und jeder hätte gesehen, dass der Gentleman dort vorne die Hüften wiegte wie eine Frau in Röcken.
Roxbury nippte an seinem Brandy und beobachtete, wie Julianna den Club erkundete. Sie versuchte offenbar, sich wie einer der gelangweilten Gentlemen zu geben, die hier schon tausendmal gewesen waren. Im Großen und Ganzen hatte sie damit auch Erfolg, bis auf die Tatsache, dass er sie dabei ertappte, wie sie sich in die volle Unterlippe biss; sie konnte ihre Freude über den gelungenen Coup kaum verhehlen.
Ab sofort war der Club nicht mehr der spießige, vertraute Ort, an dem sich dieselben alten Burschen versammelten, sondern es war ein Land der Wunder, das entdeckt werden wollte. Für eine Gesellschaftskolumnistin war dieser Ort wie der Zuckerbäcker für ein kleines Kind.
Lady Somerset nahm in einem Sessel vor dem offenen Kamin Platz, über dem ein Porträt von König George III. prangte. Sie streckte die langen Beine vor sich aus. Roxbury sah, wie sie leise lachte, und er wusste, dass sie die Worte entdeckt hatte, die ein betrunkener Klugscheißer vor vielen Jahren in den Kaminsims geschnitten hatte: Tut mir leid, was da in den Kolonien passiert ist.
Der gute alte und praktisch blinde Inchbald trat zu ihr, um ihre Getränkebestellung aufzunehmen. Was sie wohl orderte? Wein? Wasser? Brandy?
Roxbury trank von seinem Brandy und lehnte sich entspannt zurück. Er genoss die Vorstellung, die sie unwissentlich für ihn gab.
Jetzt nahm Lady Somerset eine Ausgabe der London Weekly zur Hand und tat so, als würde sie darin lesen. Er wusste aber, dass sie die Zeitung nur vor das Gesicht hielt, um ihre Tarnung nicht auffliegen zu lassen denn er sah von seiner Position, wie ihre Augen über die Ränder hinausblickten und aufmerksam im Raum hin und her schossen. In Gedanken machte sie sich vermutlich schon Notizen.
Er war fast schon versucht, die anwesenden Herren zu warnen, dass, was immer sie taten, in die nächste Ausgabe von »Geheimnisse der Gesellschaft« einfließen würde. Doch diese Männer hatten auch die Lügen und den Unsinn geglaubt, der über ihn abgedruckt worden war. Darum hielt er den Mund und überließ es den Narren, sich bloßzustellen.
Und es gab tatsächlich mehr als genug Stoff für Lady Somerset … Hätte Lord Sheldon gewusst, dass er von der Lady mit Klasse
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