Rivalen der Liebe
Roxbury und machte Inchbald ein Zeichen.
»Nun erzähl schon. Was ist mit den schmutzigen Liedern?«, fragte Brandon.
Das Lied, das Simon in jener Nacht zum Besten gegeben hatte, erfreute sich seither einer wachsenden Beliebtheit. Man konnte keine Straße Londons entlanggehen, ohne zu hören, wie jemand die Melodie sang oder pfiff.
Lady Stewart-Wortly, die wie immer ganz die Spielverderberin war, hatte angeblich sogar einen ihrer Lakaien gefeuert, weil er das Lied stillvergnügt vor sich hin gepfiffen hatte, während er seinen Pflichten nachging. Der Baron of Pinner wiederum hatte bereits neue Strophen komponiert, und diese Bänkellieder waren die erfolgreichsten Gassenhauser seit Langem.
Roxbury grinste nur dümmlich.
»Lass mich mal zusammenfassen«, sagte Brandon und sah seinen Freund ernst an. »Also: Du hast ein Lied über einen Lümmel vom Land gesungen, der sich mit Prostituierten einlässt – und das aus vollem Hals vor dem Haus einer respektablen Frau. Mitten in der Nacht. Du hast sogar den Namen besagter Lady erwähnt, und du hast sie betrunken geküsst«, zählte Brandon seine Sünden auf. Er klang ziemlich ungläubig. Roxbury wusste, dass seine Taten absolut unglaublich und schändlich waren. Dass er jene Nacht auch irgendwie lustig fand, behielt er deshalb lieber für sich. Selbst seinem engsten Freund gegenüber.
Inchbald brachte ihm den dringend benötigten Brandy und zog sich nach Simons Dank sofort wieder diskret zurück.
Sobald der Kellner verschwunden war, sagte Roxbury sehr leise: »Sie ist es, die diese anzüglichen Gerüchte über mich verbreitet hat, die mich zerstört haben. Wir wissen beide, dass sie es verdient hat.«
Brandon nickte. »Ich weiß schon, ganz unschuldig war sie nicht an der Angelegenheit. Aber ich weiß auch, dass sie es nicht verdient, wenn ihr Ruf aufgrund deines Ständchens so gründlich in den Dreck gezogen wird, dass sie gesellschaftlich keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt. Wenn man in diesem Fall überhaupt noch von einem Ständchen sprechen kann.«
»Es war nicht gründlich …«, wandte Roxbury ein.
»Das Gerede über euch beide nimmt ziemlich hässliche Züge an. Hast du denn noch nicht davon gehört?«
»Nein«, bekannte Simon freimütig. Niemand hatte es bei seinen seltenen Ausflügen vor die Haustür gewagt, ihn anzusprechen. Allein diese Tatsache hatte ihm genügt, um zu folgern, dass es schlimm um ihn stehen musste. Sehr schlimm sogar. Andererseits hatten die Leute schon seit Längerem nicht mit ihm gesprochen. Und das war ihre Schuld.
»Man erzählt sich, dass ihr beiden eine Affäre miteinander habt, die schrecklich aus dem Ruder geraten ist. Das liegt wohl vor allem daran, dass du blutüberströmt aus ihrem Haus gekommen sein sollst. Da diese Ereignisse in so krassem Gegensatz zu dem bisherigen Verhalten der fraglichen Lady stehen, fragen sich manche Leute nun eben, was sie wohl sonst noch alles vor uns verbirgt. Sind da noch mehr Liebhaber? Nur ein paar? Oder vielleicht sogar doch mehrere? Ein ganzes Dutzend womöglich? Du kannst dir kaum vorstellen, welche Sünden sie ihr jetzt auf einmal zutrauen«, erzählte Brandon. Er schwieg einen Moment und nahm einen Schluck von seinem Drink. Dann fuhr er fort: »Wir alle wissen, dass es völlig in Ordnung ist, wenn eine Witwe diskret mit einem Mann verkehrt. Aber wenn sie mit vielen intim ist und dann auch noch öffentlich in skandalöse öffentliche Szenen verwickelt ist, ist das etwas völlig anderes. Nicht zu vergessen, dass die besagte Dame bislang immer als anständige Lady galt, dank dir aber in aller Öffentlichkeit nur mit ihrer Nachtwäsche bekleidet gesehen wurde und die dann auch noch mit einer Pistole um sich schoss.«
Roxbury sank immer tiefer in seinen Sessel und kippte wortlos seinen Brandy. Sein Freund machte jedoch keine Anstalten, mit seiner Predigt aufzuhören. War das hier jetzt schlimmer als eine Gardinenpredigt von seinem Vater? Roxbury wiegte den Kopf. Da der alte Mann immer noch in Bath weilte, war ihm zumindest bisher ein vernichtender Brief von dieser Seite erspart geblieben. Er musste wohl dankbar sein für die Gnadenfrist, die ihm blieb, bis die Nachricht von dem neuerlichen Skandal um seine Person Bath erreichte. Dann durfte er noch mit einer Galgenfrist rechnen, bis sein Vater sich von dem auf diese Nachricht folgenden Schlag erholt und die Kraft gefunden hatte, ihm zu schreiben. Die war mittlerweile jedoch garantiert verstrichen.
Wie lange sein Brief schließlich bis
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