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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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zwei gleichfarbigen Pierce-Arrow-Limousinen, die sie nach ihrem Wochenende bei Lavinia Littlejohn für Stanley bestellt hatte – und fuhr den Weg wieder zurück, bis sie auf eine hutlose und entrüstete junge Frau trafen, die vor ein paar Zwergpalmen stand, das Fahrrad zwischen den Beinen. Katherine stieg aus dem Wagen, hielt den Hut wie eine Opfergabe vor sich, sie war beschämt, absolut beschämt, und sie entschuldigte sich, noch während sie die Straße überquerte.
    Die junge Frau, zwischen deren Augen sich eine blasse Zornfalte abzeichnete, fing an, sie auf italienisch zu beschimpfen, und sie war hübsch, sehr hübsch und sehr jung, fast noch ein Mädchen – wo hatte sie sie nur schon gesehen?
    » Scusi, scusi «, sagte Katherine leise, die Hände beschönigend ausgebreitet. »Es tut mir leid, schrecklich leid. Sehen Sie, das war« – sie deutete in Richtung des Wagens –, »das war Julius, unser Haustier. Er ist ein Affe, nicht wahr, und ich weiß, das Fenster hätte nicht offen sein sollen, aber...«
    »Ich will nichts von Ihnen«, fauchte die Frau, funkelte sie an, entriß ihr den Hut und zog ihn sich wütend über die Ohren, die ganze Zeit das Fahrrad mit den Beinen festhaltend.
    »Ich – wirklich, kann ich Ihnen irgend etwas anbieten für die Unannehmlichkeit? Das Geld für einen neuen Hut vielleicht? Oder kann ich Sie in die Stadt mitnehmen?«
    Die Frau vollführte eine obszöne Gebärde mit dem Daumen unter dem Kinn und fuchtelte mit den Händen, als verscheuchte sie Insekten. »Lassen Sie mich in Ruhe, Sie!« schnarrte sie und sagte es noch einmal: »Ich will nichts von Ihnen.« Sie stieß sich wütend und etwas wacklig ab, trat wild in die Pedale, und dann war sie weg.
    Das hätte Katherine eine Warnung sein sollen, und wenn sie nachgedacht hätte, wäre sie umgekehrt und schnurstracks zum Haus zurückgefahren, um diesen zudringlichen Affen loszuwerden, aber sie dachte nicht nach und kehrte nicht um. »Du Schlimmer!« rügte sie Julius und schüttelte tadelnd den Zeigefinger, als sie wieder in den Wagen stieg, und er sah so zerknirscht aus, barg das Gesicht in den Händen und zog unterwürfig die Schultern ein, daß sie zögerte. Er kauerte an der vordersten Kante der Sitzbank und stieß hohe Quietschtöne aus, wie ein Baby, das in einem entfernten Zimmer greinte, und Katherine staunte erneut, wie menschlich und fügsam er doch war: er war unartig gewesen, und nun tat es ihm leid. Sie beugte sich vor und tippte gegen das Glas, um Roscoes Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Fahren Sie weiter«, beschied sie.
    Das war ein Fehler. Sicher, Julius war für den Rest der Fahrt ein braver Affe, hielt mit ihr Händchen und sah mit gelehriger, ja eifriger Miene aus dem Fenster, doch als der Wagen von dem Potter Hotel anhielt, da wurde er angesichts der promenierenden Gäste, der knatternden Flaggen und dem generellen Durcheinander ein wenig aufgeregt. Er blies die unbehaarten, ledrigen Beutel seiner Backen immer wieder auf und entleerte sie, so als wären es Blasebälge oder Dudelsäcke, und seine Augen vollführten rasende Kreisbewegungen. Als der Türsteher sich näherte, rammte er die Stirn immer wieder gegen das Fenster, so daß der Wagen zu schaukeln begann.
    »Los, Julius, jetzt faß meine Hand und benimm dich!« sagte Katherine, als die Tür aufging und Roscoe ihr auf den Gehsteig hinaushalf. Wie eine Sprungfeder hüpfte Julius aus dem Wagen, ein Blitz aus grellorangefarbenem Fell, und alle starrten sie an. Die Leute blieben stehen. Zwei Radfahrer bremsten quietschend. Der Türsteher glotzte sie an. Aber Katherine packte Julius mit gelassenem Lächeln an der Hand und schlenderte über den Gehweg, als hielte sie sich am Arm ihres Mannes fest. Und es funktionierte auch, die anfangs schockierten Mienen waren bald nur mehr überrascht und belustigt, und Katherine fühlte sich beschwingt, sie summte ein Weihnachtslied vor sich hin – »God Rest Ye Merry Gentlemen« –, bis sie an die gläserne Drehtür kamen.
    Sie führte Julius in die Tür, ließ seine Hand genau dann los, als die durchsichtigen Abteile sie trennten, doch in diesem Moment begehrte Julius auf. Vielleicht war es die ungewohnte Situation, plötzlich in diesem keilförmigen Raum zwischen zwei Glasscheiben gefangen zu sein, vielleicht war es auch Angst oder Verwirrung, jedenfalls legte er unversehens die Bremse ein und blockierte die Tür. Katherine saß in der Falle, ebenso wie eine ältere Dame, die sie aus dem Frühstücksraum kannte,

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