Römischer Lorbeer
die
Menge und erstarrte plötzlich. »Hades«,
flüsterte er. »Sieh nur, wer gerade hereingekommen
ist.«
Ich blinzelte durch
den Dunst in Richtung der neuen Gäste, die bei der Tür
stehengeblieben waren und nach einem Sitzplatz Ausschau hielten.
»Marcus Caelius höchstpersönlich«, sagte ich.
»In Begleitung seiner Freunde Asicius und Licinius, wenn ich
nicht irre.«
Caelius erkannte
Catull. Seine Miene verriet Erstaunen, gefolgt von einem kurzen,
aber leidenschaftlichen Aufflackern seiner Augen. Dann hatte er
sein Gesicht wieder unter Kontrolle, und nur als er mich sah,
ließ er für einen Augenblick seine Verwirrung erkennen.
Er zögerte, machte seinen Begleitern dann ein Zeichen, ihm zu
folgen, und kam auf uns zu.
»Catull!«
sagte er und zeigte ein spöttisches Grinsen. »Wie lange
bist du schon wieder da?«
»Ein paar
Tage.«
»Und du hast
mich noch nicht besucht? Ich bin empört.«
»Um ehrlich zu
sein, ich habe bei dir vorbeigeschaut«, sagte Catull.
»Aber in deiner alten Wohnung. Die Nachbarn erzählten
mir, Clodius hätte dich rausgeschmissen und wollte das Haus
verkaufen. Sie meinten, ich würde dich in der Bruchbude deines
Vaters auf dem Quirinal
finden.«
»Du solltest
wirklich vorbeikommen.« Caelius lächelte.
»Der Quirinal
liegt ein wenig abseits meines üblichen Orbits. Außerdem
glaube ich kaum, daß das Haus deines Vaters ein angemessener
Ort wäre, deine Gäste in gewohntem Stil zu
empfangen.«
»Ich weiß
nicht, was du meinst.«
»Den Wein, den
Gesang, die Huren, die einfallsreichen Schlafkonstellationen. Ich
kann mir nicht vorstellen, daß dein Papa damit einverstanden
wäre.«
»All das liegt
jetzt hinter mir«, sagte Caelius.
»Zumindest bis
nach dem Prozeß. Danach mußt du vielleicht alles hinter
dir lassen, ob du willst oder nicht.«
Die Maske wäre
fast gesprungen. »Ich wollte sagen, daß ich den
wildesten Ausschweifungen meiner Jugend abgeschworen und einige
meiner fragwürdigen Bekanntschaften gekappt habe. Vielleicht
war es doch richtig, mich nicht zu besuchen, Catull. Man muß
schon auf ein gewisses Niveau achten, wenn man Gäste ins Haus
seines Vaters einlädt. Es war sehr rücksichtsvoll von
dir, mir die Peinlichkeit zu ersparen, dir die Tür vor der
Nase zuzuschlagen.«
Es entstand eine lange
Pause, in der Catull die Reste seines Weins in seinem Becher
kreisen ließ, während er auf den Boden starrte und
nachdenklich die Lippen bewegte. »Ich denke«, sagte er
schließlich mit harter, aber leiser Stimme, die mir den Atem
stocken ließ, »wenn du mich derart beleidigst, Marcus
Caelius -«
Caelius erstarrte,
genau wie seine Freunde.
»Wenn du mich
derart beleidigst«, fuhr Catull fort, »und damit meine
ich, mit komplizierten Sätzen und logischen Schritten einen
Streit vom Zaun brechen - nun, was ich darüber denke, Marcus
Caelius, ist, daß du heute nacht noch nicht genug Wein
getrunken hast!«
Caelius sah ihn mit
leerem Blick an, bevor er laut loslachte. »Nicht
annähernd genug. Und so nachlässig und schludrig wie
deine Schmähungen sind, Gaius Catull, hast du wohl schon viel
zu viel getrunken!«
»Dem kann ich
nicht widersprechen«, sagte Catull und stürzte den Rest
seines Weins hinunter.
»Macht
nichts«, meinte Caelius. »Die Nacht ist noch jung.
Reichlich Zeit für mich, sturzbetrunken zu werden,
während du dich ausnüchtern kannst.«
»Ich nehme an,
du kennst meinen Freund Graddianus hier«, sagte
Catull.
»Gordianus«,
verbesserte ich ihn. »Ja, Marcus Caelius und ich sind
einander bekannt. Wir waren früher Nachbarn.«
»Ein paarmal
haben sich unsere Wege auch vor Gericht gekreuzt«, fügte
Caelius hinzu. »Allerdings noch nie so wie zur
Zeit.«
Ich zuckte die
Schultern. »Ich weiß nicht, ob ich -«
»Ist es nicht
so, Gordianus, daß eine gewisse Dame dich engagiert hat, und
zwar nicht zu dem Zweck, zu dem sie ihre Männer für
gewöhnlich engagiert?«
»Du bist es
nicht wert, ihren Mittelfinger zu küssen«, sagte Catull
in merklich unfreundlicherem Ton. »Und du bist es ganz
bestimmt nicht wert, sie zu beleidigen.«
Licinius, der mich die
ganze Zeit gemustert hatte, sagte auf einmal: »Jetzt
weiß ich, wo ich den Mann schon mal gesehen habe. Er war
heute in den Bädern, als ich -«
»Halt die
Klappe, Licinius«, knurrte Caelius.
»Es summt doch
nicht, oder, Caelius?« Catull beugte sich ernsthaft
interessiert vor, seine Stimmung war mit einem Schlag wie
ausgewechselt. »Was Graddianus mir erzählt hat, stimmt
doch nicht -
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