Romana Exclusiv Band 0183
angezogen, um in den Menschenmassen auf der jährlich stattfindenden Agrarmesse und Pferdeschau nicht aufzufallen. Ihr Strohhut und die dunkle Sonnenbrille verbargen nicht nur ihr oft fotografiertes Gesicht und das lange rabenschwarze Haar, sondern schützten sie gleichzeitig vor der heißen Nachmittagssonne.
Keiner würde in dieser Kleidung Ihre Hoheit Prinzessin Adrienne de Marigny, Tochter des Herrscherhauses von Carramer vermuten.
Sie lächelte den Straßenhändler an. Mit acht Jahren hatte man ihr das letzte Mal einen Luftballon angeboten. Ihr Kindermädchen hatte ihn gekauft und für sie getragen. In den Jahren danach war Adrienne oft auf der Messe gewesen, aber immer nur in offizieller Mission.
„Ich nehme gern einen …“
Der Straßenhändler grinste. „Wählen Sie einen aus, hübsches Mädchen. Auch wenn der Mann Ihres Herzens Ihnen eigentlich den Ballon kaufen sollte …“
„Das würde er wohl, wenn es ihn gäbe“, erwiderte sie. Sehr wahrscheinlich nannte er jede Frau unter hundert ein hübsches Mädchen. Und er konnte selbstverständlich nicht wissen, dass Adrienne bei der Auswahl eines Mannes auf ihren Rang und Namen Rücksicht nehmen musste.
Wenn ihre Brüder Lorne und Michel wüssten, dass sie allein diese Messe besuchte, würden sie eine Krise bekommen. Besonders Lorne, dachte sie. Ihre Eltern waren gestorben, als sie noch ein kleines Kind gewesen war, und Lorne betrachtete sich nicht nur als Monarch, sondern auch als ihr Tugendwächter. Sie wusste, ihr Bruder wollte nur das Beste für sie, aber sie fand, mit dreiundzwanzig war sie alt genug, auf sich selbst aufzupassen.
Da ihre beiden Brüder inzwischen verheiratet waren, hatten Adriennes Pflichten als königliche Gastgeberin abgenommen. Das hatte den Vorteil, dass sie wenigstens ab und an das Joch des Offiziellen abschütteln und einfach sie selbst sein konnte.
So wie heute. Sie hatte nur ein paar kostbare Stunden für sich, denn am Abend musste sie wieder die Rolle der Prinzessin bei einem Galadiner übernehmen. Und sie wollte auf jeden Fall dabei sein, wenn die Pferde zugeritten wurden, ein Ereignis, für das die Insel bekannt war.
Der Straßenhändler hielt ihr einen silbernen Ballon mit einer großen roten Rose darauf hin.
„Also, das passt zu Ihnen, finde ich.“
„Er ist hübsch, aber Pferde passen besser zu mir.“ Adrienne deutete auf einen Ballon mit einem Pferdekopf. Mit wilder Mähne und ebenso wildem Blick erinnerte er sie an die Wildpferde, die über die Hügel von Nuee zogen. Die Zureiter fingen sie ein und zähmten sie für ihre verwegenen Shows.
„Ich schenke Ihnen den Ballon“, sagte der Straßenhändler spontan. „Dann können Sie sagen, Sie hätten ihn von einem Mann bekommen.“
Er meinte es offenbar ernst. „Das ist wirklich nett von Ihnen, aber das kann ich nicht annehmen. Sie leben doch davon.“ Adrienne suchte in ihrer Börse nach einer Münze.
Der Ballonverkäufer legte seine schwielige Hand auf ihre. „Sparen Sie Ihr Geld, Miss. Ich gebe Ihnen den Ballon aus.“
„Nun … danke.“ Sie wurde ein wenig rot, als sie den Luftballon entgegennahm, und wunderte sich, dass eine so schlichte kleine Geste sie so anrührte. Sie wusste, der alte Mann tat es nicht, um einen Vorteil zu erlangen, sondern einfach nur, um jemandem eine Freude zu machen.
Das bestätigte sie noch einmal darin, dass es richtig war, sich aus dem Palast zu schleichen und sich wie ein normaler Bürger unter die Messebesucher zu mischen. Kam sie in offizieller Funktion hierher, wurde sie von Leibwächtern begleitet, die ihr den Weg freimachten. Niemals hätten sie diesen Straßenhändler in ihrer Nähe geduldet. Der Mann trottete nun zufrieden mit seiner guten Tat weiter. Die Ballons tanzten dabei lustig über seinem Kopf.
„Passen Sie auf, dass er Ihnen nicht davonfliegt.“
Eine andere männliche Hand legte sich um ihr Handgelenk. Diesmal, um zu verhindern, dass der heliumgefüllte Ballon zum Himmel stieg. Die Berührung war fest, warm und unleugbar männlich, sodass sie unwillkürlich ihre Hand fortriss.
„Schön ruhig“, sagte er, als wolle er ein scheuendes Pferd beruhigen. „Sie scheinen mit Ihren Gedanken weit weg zu sein.“
Adrienne sah sich den Mann genauer an. Breite Schultern in einem braunen Jackett, athletischer Körper. Er war von gleicher stattlicher Größe wie Adriennes Brüder, und Adrienne hatte es noch nie gefallen hochzuschauen, wenn sie sich mit jemandem unterhielt. Als sie es bei dem Fremden tat,
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