Romana Exklusiv 0190
Sonderbar ist nur, dass Sie nirgendwo Fotos haben – weder von Ihrem Cristoforo noch von Ihren Eltern. Sind Sievielleicht Waise? Ist Ihre Vergangenheit genauso geheimnisvoll wie Ihre Wände?“
„Keineswegs“, erwiderte sie kühl. „Ich habe unzählige Familienfotos, aber ich bewahre sie in einem Album auf. Ich mag keinen Schnickschnack.“
Spöttisch zog er die Brauen hoch. „Bezeichnen Sie so die Bilder Ihrer Lieben?“
„Unsinn.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Sie interpretieren meine Bemerkungen absichtlich falsch.“
„Im Gegenteil, ich versuche einfach, den Sinn zu verstehen – und Sie.“
„Bemühen Sie sich nicht. Unsere Bekanntschaft war kurz und endet heute Nacht.“
„Die Nacht ist noch nicht vorbei. Ich darf also noch ein wenig spekulieren.“
„Sie vergeuden Ihre Zeit.“ Flora goss den Kaffee ein.
„Meine Zeit gehört mir. Ich kann mit ihr anfangen, was ich will.“ Erwartungsvoll blickte er sie an. „Zeigen Sie mir Ihre Fotos, und sei es auch nur, um mir zu beweisen, dass sie existieren?“
Nach kurzem Zögern öffnete sie einen der Einbauschränke neben dem Kamin und holte ein schweres Album hervor. „Hier. Ich habe nichts zu verbergen.“ Sie lächelte gezwungen. „Meine ganze Geschichte in einem schwarzen Buch.“
Er schlug es auf und betrachtete mit ausdrucksloser Miene die Aufnahmen. „Ihre Eltern sind am Leben und bei guter Gesundheit?“
„Mein Vater ist vor einigen Jahren gestorben, und meine Mutter hat wieder geheiratet – einen Witwer mit einer Tochter in meinem Alter.“
„Die Mutter des Satansbratens.“ Fabio nickte. „Mögen Sie sie deshalb nicht?“
„Ich habe keinen Anlass, sie nicht zu mögen. Wir haben allerdings nicht viel gemeinsam.“
Er blätterte weiter. Ein sonderbarer Ausdruck trat in seine grünen Augen. „Und das muss Cristoforo sein. Merkwürdig.“
Flora straffte die Schultern. „Wieso?“
„Weil dies das einzige Männerporträt ist. Gab es vorher in Ihrem Leben keine Männer, Flora mia? Keine kleinen Sünden? Oder wurden sie ebenfalls ausgelöscht?“
„Ich hatte andere Freunde“, erklärte sie. „Doch keiner von ihnen war wichtig.“
Er vertiefte sich erneut in das Bild. „Und er bedeutet Ihnen die Welt, so wie Sie ihm?“
„Natürlich. Warum stellen Sie all diese Fragen?“
„Weil ich alles über Sie wissen möchte, mia cara. Jede Einzelheit.“
Sie schluckte trocken. „Niemand kann einen anderen Menschen so gut kennen.“
„Dann bin ich vielleicht der Erste.“ Fabio klappte das Album zu und legte es beiseite.
Er stand auf, streifte das Jackett ab und warf es über die Sofalehne. Dann ging er zu Flora, nahm ihre Hand und zog sie auf die Füße. Sie ließ ihn gewähren. Ihr Herz klopfte in einem wilden Stakkato, während sich Panik und Erregung zugleich in ihren Augen widerspiegelten.
„Ich werde mit Ihrem Mund beginnen“, flüsterte er.
„Nein“, protestierte sie, als er sie in die Arme zog und an sich presste. „Sie sagten doch … Sie haben versprochen, dass ich heute Abend sicher sei.“
„Das warst du auch, mia bella.“ Er klang amüsiert, aber in seiner Stimme schwang noch ein anderer Unterton mit – etwas Raffinierteres, Gefährlicheres. „Mitternacht ist vorüber. Es ist nicht mehr heute, sondern morgen. Und von nun an garantiere ich für nichts mehr. Du kannst mir verbieten, dich zu berühren“, fügte er hinzu, „doch du kannst mich nicht daran hindern, dich zu begehren. Denn das ist mir inzwischen unmöglich.“
Dann senkte er den Kopf, und ihre Lippen trafen sich.
4. KAPITEL
Eine sehr leise innere Stimme sagte Flora, sie solle gegen Fabio ankämpfen. Dass sie notfalls treten, beißen und kratzen müsse, bevor sein Mund ihr die letzte Widerstandskraft raubte. Dass sie sich unter Aufbietung ihres gesamten Willens an ihr Leben klammern müsse, an ihre sichere, geplante Zukunft mit Chris. Dass sie nicht den Kopf verlieren dürfe.
Doch es war zu spät. Hilflos erkannte sie, dass es bereits beim ersten kurzen Blickkontakt im Restaurant zu spät gewesen war. Und als er sie später im Hotel für den Bruchteil einer Sekunde geküsst hatte, war es vollends um sie geschehen gewesen.
Es war sinnlos, sich vor Augen zu halten, dass sie dazu kein Recht hatte. Dass sie verlobt war und bald heiraten würde. Dass sie sich solche Verrücktheit nicht leisten konnte. Denn Logik, Vernunft, ja sogar Moral schienen plötzlich nicht mehr wichtig.
Am beschämendsten war jedoch, dass er keinerlei Druck auf
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