Romana Exklusiv 0225
verstand den Wink. „Gute Idee. Vor dem Abendessen hast du noch ein paar Stunden Zeit.“
Zusammen gingen sie den Flur entlang zur Galerie oberhalb der Eingangshalle. Nicole blieb stehen, als sie den Mann sah, der gerade die Treppe heraufkam. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihm jetzt schon zu begegnen. Er sah immer noch genauso aus wie bei ihrer letzten Begegnung – dunkelhäutig, mit markanten Zügen, und seine Miene war genauso hart, als er sie nun musterte.
„Hallo, Marcos.“ Nicole schaffte es, ruhig zu sprechen.
Marcos nickte flüchtig. „Nicole.“
Seine Art erinnerte Nicole an die Haushälterin. Zweifellos waren alle außer Eduardo und Leonora ihr gegenüber feindselig eingestellt. Was sie getan hatte, würde man ihr nie verzeihen.
Marcos ging an ihnen vorbei zu seiner Suite.
„Diese Männer mit ihrem Stolz!“, bemerkte Leonora verächtlich, obwohl er noch in Hörweite war. „Beachte ihn einfach nicht, Liebes. Du bist hier, weil Eduardo und ich dich eingeladen haben.“
„Wann hast du ihm erzählt, dass ich komme?“, erkundigte Nicole sich argwöhnisch.
„Heute Morgen erst“, gestand Leonora. „Eduardo hatte gehofft, dass er die Vergangenheit ruhen lässt, aber Marcos ist noch schlimmer als er.“
Nicole lächelte schwach. „Ich glaube nicht, dass Eduardo dir verziehen hätte, wenn du ihn vor allen lächerlich gemacht hättest. Ich kann es Marcos nicht verdenken, denn ich habe mich ihm gegenüber wirklich mies verhalten.“
„Wenn überhaupt jemand die Schuld daran hat, dann ich. Schließlich habe ich es so hingestellt, als wärst du ungebunden“, meinte Leonora trocken. „Ich war so versessen darauf, dich mit einem Peraza zu verkuppeln, dass ich überhaupt nicht an die möglichen Komplikationen gedacht habe.“
„Und die gab es nur, weil ich den Mund gehalten habe.“ Nicole machte eine wegwerfende Geste. „Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Jetzt brauche ich erst einmal eine Dusche.“
„Nimmst du vor dem Essen noch einen Drink mit uns?“
Nicole nickte nur. Marcos wieder zu begegnen hatte sie mehr mitgenommen als erwartet. Sein Anblick hatte gereicht, um die Erinnerungen wach werden zu lassen. Kein Mann hatte je solche Empfindungen in ihr geweckt, wie er es getan hatte – und noch immer tat. Es würde sie viel Kraft kosten, ihre Gefühle in den nächsten Tagen zu unterdrücken.
Ihren Koffer hatte man bereits ausgepackt. Da sie bis zum Abendessen noch Zeit hatte, konnte sie ein Nickerchen machen, doch momentan war daran nicht zu denken. In ihrem tiefsten Innern hatte sie gehofft, dass Marcos sie noch ein wenig achtete, wie sie sich nun eingestehen musste. Seinem Verhalten nach zu urteilen, brauchte sie sich allerdings keine Illusionen mehr zu machen. Für ihn war sie genau das, wofür er sie vor einem Jahr gehalten hatte, als er sie vom Flughafen abholte …
Während sie den Gepäckwagen vor sich herschob, hielt Nicole vergeblich nach einem vertrauten Gesicht unter den Wartenden Ausschau. Als sie die Ankunftshalle betrat, blieb sie unsicher stehen. Die Maschine war pünktlich gewesen. Leonora offenbar nicht. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als auf sie zu warten.
„Señorita Hunt?“, ließ sich ein Mann neben ihr vernehmen, und erschrocken drehte Nicole sich zu ihm um.
„Ja?“
„Ich bin Marcos Peraza“, sagte er. „Willkommen in Venezuela.“
Sein Tonfall war genauso kühl wie sein Blick. Sofort verspannte sie sich.
„Danke. Ich freue mich, dass ich hier bin.“ Sie machte eine Pause und blickte an ihm vorbei. „Ist Leonora nicht mitgekommen?“
„Ihre Stiefmutter ist bei meinem Vater“, informierte Marcos sie kühl. „Sie hat mich gebeten, Sie abzuholen.“ Er nahm den Gepäckwagen. „Ich bin mit dem Wagen da.“
Verwirrt folgte sie ihm zum Ausgang. Leonora hatte ihr den Eindruck vermittelt, dass ihre zukünftigen Stiefsöhne genauso gespannt darauf waren, sie kennenzulernen, wie Eduardo, doch allem Anschein nach war es nicht der Fall. Marcos war der ältere der beiden, wie Nicole bereits wusste. Er war dreiunddreißig.
Verstohlen betrachtete sie sein markantes Profil und bemerkte dabei den sinnlichen Zug um seinen Mund. Er konnte sehr leidenschaftlich sein, wenn er sich dazu hinreißen ließ – er war ein Mann, vor dem man sich in Acht nehmen musste, egal, in welcher Stimmung er war, das spürte sie.
„Sicher waren Sie schockiert, als Ihr Vater mit Leonora im Schlepptau aufgetaucht ist“, sagte sie geradeheraus. „Ich weiß, wie es
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