Romeo für immer, Band 02
Verlegen zupft sie an einer verknoteten Haarsträhne. »Das wusste ich nicht.«
»Es war mein Fehler. Verzeihst du mir?«
Sie verzieht spöttisch den Mund. »Du hast mir ja keine Waffe an den Kopf gehalten und mich gezwungen, den Wein zu trinken.«
»Aber ich bin dir auch nicht nachgegangen, um dich wohlbehalten nach Hause zu bringen.« Ich stütze meine Hände auf die Fensterbank, lege den Kopf in den Nacken und schaue zu ihr auf. Wie sehr erinnert mich dieser Moment an die Nacht, in der ich unter Julias Balkon stand.
Damals war ich ein verhältnismäßig unschuldiger, verliebter Junge. Am nächsten Tag habe ich dann mit Bruder Lorenzo gesprochen. Erst danach begann die langsame Vergiftung meines Herzens. Vielleicht bin ich ja deshalb ein so hoffnungsloser Fall. Ich spüre immer noch die Nachwirkungen des Gifts. Es bringt mich dazu zu lügen und zu betrügen und einem Mädchen Liebe vorzugaukeln, die ich nicht empfinde, obwohl es Besseres verdient hat.
Besseres als mich.
»Geht es dir gut?«, fragt sie mich. Ihre Fingerspitzen streifen meinen Handrücken und lösen eine Welle angenehm schmerzlicher Empfindungen in mir aus. Angenehm, weil sie mich berührt, und schmerzvoll, weil ich ihr Mitgefühl nicht verdiene.
»Ja, mir geht es gut.« In Wahrheit geht es mir überhaupt nicht gut. Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal gut gefühlt habe.
»Dir muss doch kalt sein.« Sie schaut erneut zur Zimmertür. »Komm herein.«
»Danke.« Ich schwinge mich über die Fensterbank und lande neben ihr im Zimmer, nah genug, um ihre Körperwärme zu spüren und den Lavendelduft ihrer Haare zu riechen. »Es tut mir wirklich leid«, flüstere ich. Ich möchte nicht, dass sie erneut vor mir zurückschreckt. »Ich habe kaum geschlafen aus Sorge um dich.«
»Schon gut«, antwortet sie und kommt näher. Ich halte den Atem an. Die Vorstellung, dass sie mich berühren könnte, lässt mein Herz schneller schlagen. »Mir tut es auch leid«, sagt sie.
»Was denn?« Ich streiche ihr Haar zurück und lasse meine Finger neben ihrem Hals schweben. Dabei schaue ich ihr in die Augen und warte auf die Erlaubnis, sie nochmals berühren zu dürfen.
Sie schluckt, ihre Lippen öffnen sich. Einen verwirrenden Augenblick denke ich, sie will mich küssen. Stattdessen lacht sie atemlos und schüttelt ihr Haar, sodass es ihr wieder ins Gesicht fällt. »Es tut mir leid, dass ich so eigenartig war.« Sie weicht zurück und verschränkt die Arme, als würde sie sich plötzlich unwohl fühlen in ihrem dünnen Trägertop. »Können wir es nicht einfach vergessen?«
»Schon geschehen.« Ich nehme meine Hand weg und zwinge mich zu einem Lächeln. »Wollen wir frühstücken gehen?« Wenn ich Ariel erst aus ihrem Zimmer gelotst habe, werde ich mich hoffentlich besser zusammenreißen können. »Ich sterbe vor Hunger und habe Appetit auf etwas in Fett Gebackenes mit viel Sirup und Zucker.«
»Klingt ja sehr gesund.«
»Wir sind jung, also, wen stört’s?«
Wieder lächelt sie. »Ich könnte wirklich etwas zu essen vertragen. Wo möchtest du hin?«
»Entscheide du.«
»Ist mir gleich, ich will nur nicht in die Windmühle.« Verlegen zupft sie an ihrer Haarsträhne herum. »Ich möchte niemandem begegnen, der weiß, dass … ach, du weißt schon, was ich meine.«
Sie möchte niemandem begegnen, der von der Wette weiß. Ich nicke. »Wir gehen woanders hin. Ich verspreche dir: Noch heute erfahren alle, dass die Wette nicht mehr gilt und ich ein ausgemachter Idiot bin! Mit Betonung auf ›ausgemachter Idiot‹.«
Sie beißt sich auf die Lippen und kann gerade noch verhindern, dass ihr Lächeln breiter wird. »Klingt gut.«
»Dann lass uns essen gehen.«
»Ich muss mich erst anziehen. Magst du so lange draußen auf mich warten?«
»Nein.« Ich möchte keine Sekunde von ihr getrennt sein, bis ich nicht absolut sicher bin, dass wir beide wieder auf Kurs sind. »Ich drehe mich um und sehe nicht hin.«
Sie hebt zweifelnd die Augenbrauen, und ich merke, dass die Erinnerung an gestern Abend in ihr aufkeimt. »Versprochen?«
» Möchtest du denn, dass ich es verspreche?«
»Ja«, antwortet sie, obwohl ihre Augen etwas anderes sagen. »Ich möchte, dass du es mir versprichst.«
»Vertraust du mir denn genug, um meinem Versprechen zu glauben?«
Sie neigt den Kopf und betrachtet mich nachdenklich über ihre Stupsnase hinweg. »Dazu kann ich nur sagen, dass ich dich schon nackt gesehen habe. Falls du also dein Wort brechen solltest, tja … « Sie
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