Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
Vom Netzwerk:
übersehen.
    Was dann geschah, würden sie natürlich sofort entdecken, aber darum machte sich Bennosuke keine Sorgen. Solange Hayato ums Leben kam, wäre er zufrieden, denn dann hatte er sich bewiesen. Was auch immer man anschließend mit seinem Leib anstellen würde: Seiner unsterblichen reinen Seele konnte es nichts anhaben.
    Doch um an dem Reitertreffen teilzunehmen, brauchte man zunächst einmal ein Pferd …
    Er hätte Angst haben sollen, das war ihm klar, aber er war nun einmal bis auf die Knochen erschöpft. Die Laternen neben ihm waren schön warm, das langsame Schaukeln lullte ihn ein, und alle Sorgen schienen in weite Ferne gerückt.
    Die Augen fielen ihm zu, und er versank in tiefen Schlaf.

    Dieses Wohlbefinden endete schlagartig, als man am nächsten Morgen das Seil, an dem er hing, ohne Vorwarnung kappte. Er wachte davon auf, dass er mit dem Gesicht auf den Boden aufschlug. Er blinzelte ins Licht, schmeckte Blut im Mund und fragte sich, weil er kurz vergaß, dass er gefesselt war, warum er seine Gliedmaßen nicht bewegen konnte.
    «Steh auf, du herrenloser Scheißkerl!», herrschte ihn der Samurai an, der über ihm stand. «Du hast einen langen Marsch vor dir.»
    Es war der Mann, der in der Nacht zuvor vom Pferd gefallen war. Er war immer noch wütend, und eine Reihe verschorfter Wunden an der Schläfe zeugte von seinem Sturz. Er drehte den Jungen grob mit dem Fuß um. Dann band er ihm die Beine los, stellte ihn aufrecht hin und knotete ihm ein kürzeres Seil um die Knöchel, sodass er die Füße nur knapp eine Elle weit auseinanderbewegen konnte.
    Als ihm der Samurai von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, stellte Bennosuke fest, dass er größer war als der Mann. Auch der Samurai bemerkte es, was seine Laune nicht eben besserte. Grob drückte er Bennosuke den Kopf nach unten, während er ihn zu seinem Pferd führte. Am Sattel hatte er ein weiteres Seil befestigt, dessen Ende er Bennosuke nun um den Hals schlang.
    So an die Leine gelegt, blickte sich der Junge um. Die anderen vier Samurai warteten bereits aufbruchsbereit und sahen mit kühler Miene zu ihm hinüber. Der Samurai mit den Verletzungen im Gesicht, der offenbar der Anführer war, gab ihnen ein Zeichen, worauf einer der Männer Bennosukes Schwerter brachte. Sie waren zusammengebunden und mit einer Art Kummet versehen, das ihm der Mann nun um den Hals hängte. Vorn auf den Scheiden war ein Blatt Papier befestigt, auf das in schwarzer Tinte mit breiten Strichen Schriftzeichen gemalt waren. Bennosuke las sie von oben:
    Ein diebischer Samurai
    «Wenn wir zur Hinrichtungsstätte kommen, wird man dir die Schwerter abnehmen und sie zerschmettern», sagte der Anführer und fasste dabei Bennosukes Kopf so, dass er ihm in die Augen sehen musste. «Und dann werden die dreckigen Burakumin – Untermenschen, verstehst du, die aber immer noch über dir stehen –, dir die Schwertsplitter durch Hände und Füße hämmern, damit du im Laufe vieler Stunden elendig verreckst. Als Mahnung an alle, die das Vorrecht ihrer Geburt in den Schmutz werfen und sich wie Abschaum aufführen.»
    Ein weiterer Wink, und ein anderer Mann trat herbei. Er hielt einen großen glockenförmigen Strohhelm in der Hand. Das war ein Instrument der Schande, dazu bestimmt, den Kopf vollkommen zu umschließen und die Schuldigen und Entehrten so vor den Augen der Welt zu verbergen. Sie zwängten ihm den Helm über den Kopf und nahmen ihm damit, bis auf einen schmalen Schlitz am Schlüsselbein, die Sicht. Dann hörte er die Männer aufsitzen, es knallte eine Reitpeitsche, und ein plötzlicher Schmerz schoss ihm durch die Schulter.
    «Abmarsch!», ertönte hinter ihm der Befehl, und Bennosuke gehorchte und setzte sich in Bewegung.
    Derart blind und gefesselt, geriet Bennosuke in Panik, als ihm nun klarwurde, was mit ihm geschah. Er verfluchte sich dafür, dass er eingeschlafen war, statt wenigstens zu versuchen, sich zu befreien. Sein Atem klang in dem Helm wie heulender Wind in einer Höhle. Die Fesseln hatten keinerlei Spiel, er konnte seine auf dem Rücken festgezurrten Arme kein bisschen bewegen. Ständig geriet er ins Straucheln, weil er die Straße nicht sah oder die Länge des Seils zwischen seinen Knöcheln falsch einschätzte. An Weglaufen war gar nicht zu denken.
    «Kommt, schaut euch an, was mit einem Dieb geschieht!», rief hin und wieder einer der Samurai, und Bennosuke nahm an, dass sich die Rufe an Schaulustige richteten. «Kommt und seht, was mit einem Samurai

Weitere Kostenlose Bücher