Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
er sich gleich zweifellos zuziehen würde.
Eins.
Bennosuke sprang hervor, und der Mann stand so nah vor ihm, dass er fast mit ihm zusammenprallte. Erschrocken schrie der Samurai auf und machte Anstalten, sein Schwert zu ziehen, doch Bennosuke kam ihm zuvor. Seine Klinge sauste herab und grub sich dem Mann so tief in den Schädel, dass sie ihm eine Augenbraue spaltete. Es war ein entsetzlich brutaler Hieb, und der Mann stieß einen markerschütternden Schrei aus. Dann brach er zusammen, mit dem Schwert im Kopf, das so fest saß, dass es Bennosuke aus der Hand gerissen wurde.
Als der Schrei zu ihnen drang, hielten die ferneren Schritte kurz inne. Dann setzte das Klack-Klack-Klack-Klack wieder ein, schneller diesmal. Die Wolfsmeute nahm die Hatz wieder auf.
Das Schwert hatte sich, als der Mann zu Boden gegangen war, zwischen den beiden Wänden der Gasse verkantet. Er murmelte immer noch irgendwas vor sich hin, die Augen nach oben verdreht, als versuchte er, die Klinge zu sehen. Bennosuke sah ihm nicht ins Gesicht, als er daranging, sein Schwert herauszuhebeln. Die Schritte näherten sich jetzt von mehreren Seiten, als zöge sich eine Schlinge um ihn zusammen, und daher ließ er jeden ästhetischen Anspruch fahren, stellte dem Mann einen Fuß auf den Hals und zerrte mit aller Kraft. Das Schwert löste sich mit schmatzenden und knackenden Lauten, und verklebte Haare und Blut hafteten an der Klinge.
«Hier ist er! Hier!», erscholl eine Stimme hinter ihm.
Bennosuke drehte sich um. Hayato stand ein Stück die Gasse hinab und zeigte auf ihn. Statt Wut war auf seinem Gesicht nun eher kindische Freude zu sehen. Er kam aber nicht auf Bennosuke zu und machte auch keine Anstalten, sein Schwert zu ziehen. Natürlich nahm er nur als Zuschauer an der Jagd teil und überließ es anderen, sich in Gefahr zu begeben.
«Bist du ein Samurai, du Wicht?», rief er belustigt.
Was hätte Bennosuke anderes tun können, als fortzulaufen? Hayato folgte ihm und rief unter Gelächter weiter seine Männer herbei.
Zu seiner Rechten bemerkte Bennosuke plötzlich eine Menschenmenge – ein Geschenk des Himmels, das ihn kurz in Hochstimmung versetzte. Er lief die Gasse hinab und auf die Straße hinaus. Hier war ebenso viel Verkehr wie auf der Straße mit dem Töpferladen. Für ihn sah ein Weg aus wie der andere – das war nicht gut, denn Hayato und seine Männer kannten sich in der Stadt bestimmt aus. Das blutige Schwert immer noch in der Hand, packte Bennosuke einen Passanten bei der Schulter und wirbelte ihn herum.
«Wo geht’s hier aus der Stadt raus?», brüllte er den Mann an. Der duckte sich entsetzt weg, wies dann aber mit unbestimmter Geste die Straße hinab.
«Ergreift ihn! Tötet ihn! Jetzt! Jetzt!», kreischte Hayato, mit einem Mal ganz nah. Bennosuke fuhr herum, rechnete damit, die Samurai kommen zu sehen, doch stattdessen sah er nur den immer noch auf ihn zeigenden Arm des Fürsten aus der Gasse ragen. Hayato musste sich umgewandt und seinen Männern Zeichen gegeben haben, ihm zu folgen, ohne sich bewusst zu sein, dass Bennosuke immer noch so nah war.
Plötzlich existierte für Bennosuke nur noch dieser Arm.
Er hätte weiterlaufen und fliehen sollen, doch dieser Arm lockte ihn. Mit einem Mal sah er wieder vor sich, wie die Hand des Bauern durch die Luft geflogen war, als Arima sie ihm abgeschlagen hatte. Dann hörte er Dorinbos Stimme, die ihn tadelte. Nun bot sich ihm plötzlich die Gelegenheit zur Vergeltung, die Möglichkeit zum Beweis, dass er doch ein Gerechter war. Das Gefühl, vom Gejagten zum Jäger zu werden, erregte ihn auf beinah animalische Weise. Er, der bisher schwach gewesen war, wurde nun stark und mächtig.
Bennosuke sprang auf Hayato zu und ließ sein Schwert in einem silbernen Bogen herniederfahren. Es traf den Fürsten knapp oberhalb des Bizeps, da war er sicher, doch einen kurzen Moment lang schien mit dem Arm gar nichts geschehen zu sein, und Bennosuke glaubte schon, er hätte vorbeigeschlagen. Dann aber tat sich im Ärmel des Kimonos ein langer Schnitt auf, und der Arm plumpste zu Boden.
Dort lag er und zuckte wie ein verendender Fisch auf dem Trockenen, und der Schrei, der sich Hayato nun entrang, war schrecklich anzuhören. Schrill und von äußerstem Schmerz erfüllt, war es sowohl der Laut eines Tiers, das unerträgliche Qualen leidet, als auch der Laut eines intelligenten Wesens, dem bewusst wird, dass es soeben schwer verstümmelt wurde.
Der Schrei war so durchdringend und mitleiderregend,
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