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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Liebknecht war von Rosa Luxemburgs literaturgeschichtlichen Kenntnissen ebenso beeindruckt wie von ihren anregenden
     gesellschaftskritischen Urteilen.
    Ihre Einleitung zum »Korolenko« wurde dafür zu einem beredten Zeugnis. Nicht zufällig stellte Rosa Luxemburg Korolenkos Bekenntnis
     an den Anfang, seine Seele sei von drei Nationalitäten geprägt – er war seiner Abstammung nach Pole, Russe und Ukrainer –
     und habe in der Literatur Vaterland, Heimat und Nationalität gefunden. Mit Bravour beschrieb sie das Aufblühen der russischen
     Literatur nach den Napoleonischen Kriegen: »Die russische Literatur stand auf einmal da, als unverkennbares Glied der europäischen
     Literatur, in ihren Adern kreiste das Blut Dantes, Rabelais’, Shakespeares, Byrons, Lessings, Goethes. Sie holte mit einem
     Löwensprung die Versäumnisse eines Jahrtausends nach und trat in den Familienkreis der Weltliteratur als ebenbürtige ein.«
     Und sie hatte »eine eigene, nationale Kunstform, eine Sprache, die den Wohllaut der italienischen mit der männlichen Kraft
     der englischen und dem Adel sowie dem Tiefsinn der deutschen paart« 124 , die Opposition zum Despotismus des Zarenregimes habe ihr schöpferische und bewegende soziale Kraft verliehen. Rosa Luxemburg
     beeindruckte an den Großen der russischen Literatur – Gogol, Dostojewski, Tolstoi – neben Talent und Genie das differenzierte
     soziale Gewissen, das deren Blick für die Psyche der verschiedenen Charaktere und für das soziale Milieu der Persönlichkeiten
     außerordentlich geschärft habe.
    Ihre Charakteristik russischer Literaten des 19. Jahrhunderts speiste sich ebenfalls aus eigenen Ansichten, wie die folgenden
     Kommentare zeigen: Der Lebensweg Korolenkos markiere das Zerbröckeln der »leibeigenen Psychologie«, den Anbruch einer |538| neuen Zeitströmung, deren vorherrschende Note der »›zernagende, qualvolle, aber schöpferische Geist der sozialen Verantwortlichkeit‹«
     sei. 125 Zu Turgenjews Äußerung, er habe bei Berlin zum erstenmal das Trillern der Lerche mit vollem Bewußtsein genossen, merkte sie
     an: »Die Lerchen trillern in Rußland nicht weniger schön als in Deutschland. Das gewaltige russische Reich birgt so viele
     und so mannigfaltige Naturschönheiten, daß ein empfängliches poetisches Gemüt auf jedem Schritt Gelegenheit findet, im Gefühl
     der Naturfreude restlos aufzugehen. Was einen Turgenjew an dem ungetrübten Genuß der Naturschönheit in seinem eigenen Vaterlande
     hinderte, war eben die peinigende Disharmonie der gesellschaftlichen Verhältnisse, das ständige drückende Gefühl der Verantwortlichkeit
     für die schreienden sozialen und politischen Zustände, die man nie loswerden konnte und das, tief im Innern bohrend, keinen
     Augenblick völligen Selbstvergessens aufkommen ließ. Erst im Auslande, wenn er die tausend niederdrückenden Bilder der Heimat
     hinter sich gelassen hatte und fremden Verhältnissen gegenüberstand, deren wohlgeordnete Außenseite und materielle Kultur
     den Russen seit jeher naiv imponierte, vermochte ein russischer Dichter sich unbekümmert aus voller Brust dem Gefühl der Naturfreude
     hinzugeben.« 126
    Korolenkos Satz »Menschliches Glück, ehrliches menschliches Glück hat für die Seele etwas Heilendes und Aufrichtendes« beeindruckte
     Rosa Luxemburg. In dem offensichtlichen Paradoxon, daß Korolenko einen ohne Arme geborenen Krüppel sagen ließ: »Der Mensch
     ist für das Glück geschaffen wie der Vogel zum Fliegen«, stecke ein Stück sozialer Hygiene: »Glück macht die Menschen geistig
     gesund und rein, wie Sonnenlicht über einem offenen See am wirksamsten das Wasser desinfiziert. Damit ist auch gesagt, daß
     in abnormen sozialen Verhältnissen – und abnorm sind im Grunde genommen alle auf sozialer Ungleichheit basierten Verhältnisse
     – die verschiedenartigsten Seelenverkrüppelungen zur Massenerscheinung werden müssen. Unterdrückung, Willkür, Unrecht, Armut,
     Abhängigkeit und auch eine zur einseitigen Spezialisierung führende Arbeitsteilung als ständige Einrichtungen modeln die Menschen
     geistig in bestimmter Weise, und zwar auf beiden Polen: Der Unterdrücker wie der Unterdrückte, der Tyrann |539| wie der Kriecher, der Protz wie der Schmarotzer, der rücksichtslose Streber wie der indolente Bärenhäuter, der Pedant wie
     der Hanswurst sind gleichermaßen Produkte und Opfer ihrer Verhältnisse.« 127
    Wie am Ende bei Tolstoi habe bei Korolenko der soziale Kämpfer

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