Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosa

Rosa

Titel: Rosa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
Vom Netzwerk:
bombensicher.«
    Laacken drehte sich um. Irgendwie fand er Kars’ Selbstsicherheit faszinierend. Der Mann redete, als habe er schon jetzt einen Ferrari vor der Tür stehen. »Eine Stiftung? Eine politische Partei? Bei denen wird doch jede Ausgabe vorher von Juristen und Buchhaltern auf Herz und Nieren geprüft.«
    Kars lächelte. »Ich habe einen Privatfinanzier an der Hand.«
    »Wen denn?«
    »Einen Mann mit einem Ideal und einem Vermögen. Ich glaube, er langweilt sich.«
    Laacken kam zurück an den Tisch, setzte sich und rührte in seinem kalten Kaffee. »Ein Vermögen an was? Euros oder Sprüchen?«
    »Ich möchte einzig und allein von dir wissen, ob du bereit bist, die Rolle des Verlegers zu spielen, wenn ich irgendwann in den nächsten Tagen mit diesem Mann bei dir vorbeikomme.« Er blickte sich um. »Aber nicht hier. Wir mieten wieder so ein schickes Tagesbüro an, okay?«
    »Mach, was du willst.« Laacken schwankte zwischen der Aussicht auf Gewinn und einem lästigen Déjà-vu.
    Sein Zögern ging Kars allmählich auf die Nerven. »Es kostet dich lediglich ein paar Stunden deiner Zeit«, sagte er. »Wenn du dann nichts davon hältst, brauchst du nur deiner Wege zu gehen und darüber zu schweigen, wie es kommt, dass ich nächstes Jahr in einer Villa an den Loosdrechtse Plassen wohne.«

 

4
    Hinter den Fassaden mancher Grachtenhäuser verbergen sich die reinsten Paläste, inklusive Butler. Dieser hier hatte graues Haar, ein schmales, knochiges Gesicht, weiße buschige Brauen über forschenden Augen und eine Aussprache wie aus der Umgebung von Haarlem, wo Kennern zufolge das reinste Niederländisch gesprochen wird.
    »Mevrouw meditiert«, verkündete er. »Ich bin Henri, der Hausdiener. Bitte folgen Sie mir.«
    Er ging mir durch eine Diele mit Gewölbedecke voraus zu einer bordeauxrot ausgelegten Treppe, ein wenig steif in seinem grauen maßgeschneiderten Beerdigungsanzug. Seine mageren Finger flatterten über das verschnörkelte Geländer. Im Haus war es totenstill. Er brachte mich in ein hohes Zimmer mit Samtgardinen und antiken Teppichen und Möbeln. »Falls Sie etwas brauchen sollten, drücken Sie diesen Knopf.« Henri zeigte zu einem Holzkästchen auf einem massiven Büfett neben der Tür. Der Hausdiener.
    Ich ging zu einem der hohen Fenster wenige Meter über der Gracht. Autos, Fahrradfahrer, ein Rundfahrtboot. Mir wurde bewusst, dass ich einen Stummfilm ansah. Ich befand mich im Herzen der Stadt und hörte nichts. Ich klopfte an die Scheibe und drehte mich um, als ich gedämpftes Räuspern hörte. Henri stand neben dem Büfett.
    »Vor zwei Jahren wurde das ganze Haus schalldicht verkleidet«, erklärte er. »Mevrouw verträgt keinen Lärm.«
    »Hat sie vorher Ohropax getragen? Oder wohnt sie erst seit zwei Jahren hier?«
    Er zuckte nicht mit der Wimper. »Mevrouw wurde in diesem Haus geboren«, antwortete er unbewegt.
    »Wenn Sie Stille sucht, sollte sie besser nach Grönland ziehen. Dauert die Meditation lange?«
    »Sie sind zehn Minuten zu früh. Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    »Später vielleicht. Arbeiten Sie schon lange hier?«
    Der Hausdiener nickte abweisend. Sein Privatleben ging mich nichts an. Die Stille wurde bedrückend, als er mich allein ließ. Ich setzte mich in einen Sessel. Es gab weder Zeitschriften, in denen ich hätte blättern können, noch einen Fernseher. Außer der dunklen Wandverkleidung und der zierlichen Stuckdecke bestand die einzige Dekoration aus einem großen, silbern gerahmten Schwarz-Weiß-Foto, das genau gegenüber der Fenster über dem Büfett hing.
    Das Fehlen jeglicher anderer Wanddekoration hatte etwas Gewolltes, so wie ein einziges, subtil ausgeleuchtetes Gemälde, umringt von Samtdraperien im Schaufenster eines exklusiven Kunsthandels dazu dient, alle Blicke auf sich zu ziehen.
    Es handelte sich um das Porträt einer jungen Frau mit einem schmalen, klassischen Gesicht, das schräg nach oben gerichtet war, als suche sie am Himmel nach einem Grund zum Lächeln. Das Foto musste in einem Studio aufgenommen worden sein. Das künstliche Licht hatte sich wie eine Aureole auf ihr dunkles Haar gelegt und ihre ausländischen Züge akzentuiert. Sie war sehr schön. In ihren Augen lag das Funkeln jugendlicher Erwartung, jedoch, in diesem in der Zeit eingefrorenen Moment, auch etwas Verletzliches und Ernsthaftes, wodurch sie älter wirkte, als sie vermutlich war.
    Eine Frau kam herein. Sie trug ein langes, wallendes goldbraunes Kleid und war eine fünfundzwanzig Jahre

Weitere Kostenlose Bücher