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Rosa

Rosa

Titel: Rosa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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dass Sie die falsche Liste haben.«
    »Ich habe die vom 1. Januar 2001«, entgegnete Nel.
    »Sie bräuchten vielleicht die vom 5. oder 6. Januar.«
    Nels Verstand arbeitete schnell. »Sie meinen, dass der Empfänger gar nicht auf der Liste stand und im Nachhinein an den Anfang gesetzt wurde?«
    Wir schwiegen abwartend. Die Frau biss sich auf die Lippe. »Nicht alle waren damit einverstanden«, sagte sie dann.
    »Womit?«
    »Ich darf keine Namen nennen, dafür kann ich ins Gefängnis wandern.« Sie wandte den Blick ab. »Wenn irgendjemand anfängt zu suchen, landet man in null Komma nichts bei mir, und Rutger Hogendoorn wird mich garantiert nicht decken.«
    »Sie brauchen uns keine Namen zu nennen«, sagte ich. »Sie brauchen uns nur zu erzählen, woran Sie sich erinnern.«
    »Ich erinnere mich an alles«, antwortete sie. »Das liegt daran, dass es Streit gab. Hinterher. Während einer Operation ist keine Zeit dazu, da gilt es nur, Entscheidungen zu treffen. Auslöser war im Grunde die medizinische Regel, die besagt, dass in dem Moment, wenn der Chirurg eines Krankenhauses jemanden berührt, diese Person automatisch Patient des jeweiligen Krankenhauses wird. Verwaltungstechnisch musste ein wenig gemauschelt werden und es verstieß, genau genommen, gegen das internationale Abkommen, aber darum ging es bei dem Streit gar nicht.«
    »Worum denn dann?«, fragte ich.
    Sie legte eine Hand auf den Tisch, rieb mit der anderen Hand darüber und sagte: »Ich glaube, Mevrouw wird das nicht gerne hören wollen.«
    »Wir gehen immer äußerst taktvoll vor«, meinte Nel.
    Die Frau schwieg hartnäckig.
    »Dieser Chirurg, war das Professor Kuller?«, fragte ich, um sie in Gang zu bringen.
    »Nein, natürlich nicht, der kam nur zur Transplantation. Es war die junge Traumachirurgin aus dem Helikopter. Ihr kann man auch keinen Vorwurf machen, sie hat nur ihre Arbeit getan, und zwar gut, denn sie hat diesem Mann das Leben gerettet.«
    Ich runzelte die Stirn und Nel und ich schauten uns an. Wir dachten beide dasselbe. »Meinen Sie den Fahrer des anderen Pkws?«, fragte Nel.

Anna Vogel hob den Blick. »Woher wissen Sie das?«
    »Wir haben den Polizeibericht gelesen«, sagte ich. »Der Hubschrauber wurde angefordert, weil die Besatzung des Rettungswagens dem dritten Unfallopfer nicht helfen konnte.«
    Sie nickte eifrig. Die meisten Verräter sind dankbar, wenn man ihnen die Gelegenheit bietet, ihr Gewissen zu beruhigen, indem man ihnen suggeriert, dass sie nur bereits bekannte Informationen bestätigen. »Der Mann war aus dem Auto herausgeschleudert worden, und sie sahen nicht sofort, dass sein Herz durchbohrt worden war, ob von einer losen Zierleiste oder einem Stück Zaun, weiß niemand, denn der Gegenstand war herausgezogen worden. Es war mitten in der Nacht, man stellt zwar Scheinwerfer auf, aber alle haben nur Augen für die Opfer, nicht für den Unfallhergang.« Wieder schwieg sie. Der Unfall machte ihr zu schaffen.
    »Er war durch die Windschutzscheibe geschleudert worden und lag an einem Zaun«, sagte ich, um den Eindruck, dass wir bereits alles wussten, zu verstärken. »Der Autofahrer, der die Polizei gerufen hatte, kniete neben ihm. Vielleicht hatte der versucht, ihm zu helfen?«
    »Das haben wir uns hinterher auch überlegt«, sagte sie. »Ein Notarzt oder Sanitätsassistent würde so etwas nie tun, aber der Mann hat garantiert nach Atem gerungen, und dann tun Laien oft das Falsche, obwohl sie es gut meinen. Jedenfalls hatte er keinen Blutdruck mehr und auch keinen Puls und die Pupillen waren starr. Da muss man schnell handeln. Das Helikopterteam konnte nicht mehr tun, als das Herz freizulegen. Sie durchtrennten das Brustbein, was bei einem jungen Mann nicht einfach ist, setzten den Schnitt, zogen die Rippen auseinander und fanden eine Asystolie mit Herzbeuteltamponade vor.«
    »Bitte helfen Sie einem Laien auf die Sprünge.«
    »Die Herzkammer war mit Blut gefüllt, was sehr schnell zum Tode führt.« Anna Vogel zuckte mit den Schultern. Sie flüchtete sich in Professionalität, sie wusste, wovon sie redete, und auf dieses Wissen war sie stolz. »Ich würde das gern weglassen, aber es hat letztendlich dazu geführt, dass das Krankenhaus die Verantwortung für diesen Mann übernehmen musste.«
    »Weil die Chirurgin ihn operierte?«, fragte Nel.
    Sie nickte. »Sie setzten einen Schnitt und kurz darauf begann das Herz unregelmäßig zu schlagen. Dadurch schoss ein Blutstrahl aus dem Herzen. Es gab nur eine Möglichkeit, die

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