Rosa
integriert. Niemand ließ sein Auto auf dem Deich stehen, höchstens Besucher, die auf einen Sprung vorbeikamen. Ich erkannte durch die Heckscheibe die Köpfe zweier Männer und sie sahen nicht wie Besucher aus, es sei denn, sie diskutierten im Dunkeln über die Frage, in welchem Deichhaus sie mal vorbeischauen sollten. Ich joggte näher heran und versuchte, in der fast völligen Dunkelheit das Nummernschild zu entziffern. Ich prägte mir murmelnd Ziffern und Buchstaben ein, während ich das Auto überholte und zur Seite schaute. Zwei Männer im Dunkeln. Der linke hatte die Arme auf das Steuer gelegt, als sei er mit einem Nickerchen an der Reihe, der andere starrte geradeaus vor sich hin, sein Gesicht ein undeutlicher Fleck. Zweifellos hatte er mich im Rückspiegel kommen sehen und tat jetzt, als sei er zu vertieft in neue Ideen über Gott oder Königin Beatrix, um auf Jogger auf einem verlassenen Deich zu achten.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das pensionierte Ehepaar von gegenüber observiert wurde. Vielleicht waren sie mir von Amsterdam aus hierher gefolgt. Ich hatte nichts davon bemerkt. Ich hatte auch nicht darauf geachtet, denn wer sollte sich schon für mein Tun und Lassen interessieren? Doch wenn es tatsächlich um mich ginge, wären sie mir über den Deich hinterhergefahren und hätten, nachdem ich in meine Garage eingebogen war, ein Stück weiter geparkt. Auch dass sie noch dort standen, passte ins Bild, denn wer rechnet schon damit, dass eine Zielperson, die gerade erst heimkehrt, gleich wieder rauskommt und joggen geht?
Ich hatte das Haus nicht abgeschlossen, das tat hier niemand, der nur eine Runde laufen ging, aber diesmal beunruhigte mich der Gedanke, wodurch der Abend plötzlich weniger angenehm roch. An der Schleuse beschloss ich, umzukehren und mich zu erkundigen, ob sich die Herren vielleicht verfahren hatten.
Als ich mich bis auf zwanzig Schritte genähert hatte, wurde der BMW gestartet, und ich musste meine Augen vor den plötzlich aufleuchtenden grellen Scheinwerfern abschirmen. Ich sprang beiseite, als der Wagen mit heulendem Motor auf mich zukam. Sie waren wütend und frustriert, weil sie aufgeflogen waren, wie es im Jargon heißt, und versuchten gezielt, mich zu rammen. Ich wartete auf dem Deich, bis sie um die Kurve hinter der Schleuse verschwunden waren. Kurz darauf sah ich ihre Scheinwerfer über die Zufahrt zur Landstraße wandern. Durch die Hecken aus hohen Weißdornbüschen, die die Obstplantagen vor Wind schützten, konnte ich nicht erkennen, ob sie in Richtung Autobahn oder in Richtung Leerdam fuhren, aber sie konnten das Haus von verschiedenen Punkten an der Landstraße aus mit einem Fernglas beobachten.
Wer?
Ich schloss die Terrassentür hinter mir und drehte den Schlüssel im Schloss.
Das Haus fühlte sich leerer und kälter an. Ich duschte und ging nackt nach oben, um eine Hose und ein sauberes Hemd anzuziehen. Danach ging ich in Pantoffeln in die Küche und setzte Kaffee auf.
Allein zu Haus. Ich saß an meinem Schreibtisch und schaute in das Dunkel hinter den Terrassenglastüren. Mit einem Fernglas könnten sie mich von der Landstraße aus hier sitzen sehen. Ich sah nur dunkle Umrisse und Schatten. Ich rief Nel an.
»Hi, Max«, sagte sie. »Ich vermisse dich.«
»Wo bist du?«
»Ich liege auf einem schönen großen Bett in Zimmer Nummer 148 im Novotel. Ich komme gerade aus der Bar, von den Jungs.«
»Nette Jungs?«
»Auch nette Mädchen, alle Hackerjäger sind zusammen in dieses Hotel gesteckt worden. Die Hälfte kommt aus England.«
»Wie ist es denn so?«
»Zu viele Leute, eine merkwürdige Kombination aus Geschäftsleuten und Computerfreaks. Die eine Hälfte weiß meistens nicht, wovon die andere Hälfte redet, manchmal ist es genau wie bei uns beiden, wobei du die unwissende Hälfte bist.«
»Du fehlst mir auch«, sagte ich. »Mehr kann ich nicht sagen.«
Nel schnaufte kurz. »Die Firmen geben einen Haufen Geld aus, um etwas gegen die Piraterie zu unternehmen. Jeden Monat werden über zwei Milliarden Dateien illegal runtergeladen, und ich rede nur von Musik. Es werden dreimal mehr Leer-CDs verkauft als Alben, und jeder weiß, wofür sie benutzt werden.«
»Und die Ritter zu Pferd wollen das ändern?«
CyberNel lachte nicht. »Ich habe mich eben noch mit einem Kollegen aus Indien an der Bar darüber unterhalten. Unsere Antwort lautet Nein.«
»Nein?«
»Vielleicht gelingt es uns, den Kopierschutz der CDs so weit zu perfektionieren, dass sie nur noch
Weitere Kostenlose Bücher